Gutes Personal zu bekommen, ist schwer. Und das weltweit. Zum Beispiel ordentliche Freiheitskämpfer. Sicher, alle müssen sparen. Auch bei der Protest International Inc. sitzen die Mittel nicht mehr so locker seit die Finanziers aus Kalte-Kriegs-Zeiten weggefallen sind. Aber so dürftig im Niveau war es schon lange nicht mehr.
Zum Beispiel „Pussy Riot“: In Russland müssen wir uns da zur Projektion unseres Protestes gegen das autoritäre Putin-Regime mit drei post-pubertierenden Twenager-Mädels begnügen, die mit bunten Pudelmützen über dem Gesicht arhythmisch durch den Altarraum der Christ-Erlöser-Kathedrale springen und „Heilige Mutter Gottes, erlöse uns von Putin“ durch die Gegend schreien. Nicht alle Gläubigen auf der Welt schätzen solche Indienstnahme ihrer geweihten Stätten zum Zwecke des Aufrüttelns der Gesellschaft. Klar, dass eine freiheitliche Gesellschaft so etwas ertragen und wegstecken muss. Klar, dass zwei Jahre Lagerhaft für solche Klingelstreiche des Kleinhirns unangemessen und nicht hinnehmbar sind. Nur zum Fanal des russisch-demokratischen Aufbruchs möchte man die lustige Combo (deren Band-Namen hierzulande seltsamerweise noch niemand übersetzt hat) dann doch nur in Notfällen machen.
Zum Beispiel Julia Timoschenko: In der Ukraine hat sich eine bemerkenswerte Zopfkranz-Trägerin mit gutaussehender Tochter zur Inkarnation des Kampfes gegen Autoritarismus, Korruption und Clanwirtschaft hochgearbeitet, die nun schon geraume Zeit nach einem absurden Schauprozess in fadenscheinig begründeter Haft gehalten wird. Julia Timoschenko hat nach dem Ende der Sowjetunion auf undurchsichtige Weise sich und ihrer Familie die Taschen mit einem Millionenvermögen gefüllt. Als ehemalige Ministerpräsidentin in Kiew ist auch sie nicht als lupenreine Demokratin aufgefallen. Aber all das rechtfertigt natürlich nicht die Prozess-Farce, der sie zum Opfer fiel oder die Willkürherrschaft der Donezk-Seilschaften von Präsident Janukowitsch. Selbstverständlich muss auch im Knast ein Bandscheibenvorfall ordentlich behandelt werden – zur Not von Spitzenärzten, die eigens aus Deutschland eingeflogen werden. Aber sollte man deshalb in Carrara schon mal den Marmor für ihr künftiges Standbild auf dem Kiewer Kreschtschatik-Boulevard brechen?
Zum Beispiel Julien Assange: Nimmt man die Intensität der Berichterstattung über den weißhaarigen Petzportal-Gründer zum Maßstab, dann lautet die Botschaft: „Völker der Welt, schaut auf diesen Nerd! Jeder der irgendwo Daten geklaut hat und wen anschwärzen will, kann sich bei Wikileaks an die Spitze von Assanges Weltbewegung für Transparenz und gegen die Mächtigen setzen. Und weil der gejagte Held für dunklen Mächte so gefährlich ist, wie Leo Trotzki im mexikanischen Exil, muss er sich seit Monaten gegen eine Anklage wegen sexueller Übergriffe in Schweden wehren. Und gegen die befürchtete Auslieferung an die ehedem erfolgreich auf Wikileaks verpetzten Amerikaner. All das ist ein völlig überdrehter Justiz-Irrsinn und hätte durch eine Befragung in London leicht geklärt werden können. Aber wenn der Held der schönen neuen Netz-Welt nun ausgerechnet in Equador um Asyl nachsucht, einem wegen Korruption und politischer Bandenwirtschaft nicht sonderlich gut beleumundeten Regime, dann muss die Not schon ziemlich groß sein.
Man verlangt ja nicht viel, keinen Gandhi, Mandela oder Martin Luther King. Aber warum kann man uns mit Freiheit und Demokratie auf der Welt mitfiebernden Westlern nicht einen Kämpfer-Mindeststandard der Kategorie Sacharow, Havel oder Havemann bieten?! Statt durchgeknallter Schreihälse mit tragischem Schicksal und Verfolgten-Vita, gern mal wieder jemanden, der für sein Land eine Idee hat, wirklich etwas erreichen und kämpfen will. Und mit dem man sich irgendwann einmal gemeinsam über den Sieg freuen würde und auf Besserung hoffen dürfte. Das wäre toll.