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„Fuck AC/DC“ – Plausch mit Lemmy Kilmister und Jim Beam

November 5, 2013

Da Lemmy Kilmister mit „Motörhead“ in diesem Jahr wohl nicht auf ein traditionelles Vorweihnachtskonzert nach Berlin kommt, hier noch einmal ein kleiner Kult-Plausch bei ein, zwei Flaschen Jim Beam, die das Abschreiben hinterher nicht leichter gemacht haben… Das Gespräch habe ich 2010 im Hotel „Berlin“ geführt.

 

Hi Lemmy, willkommen im kalten Berlin. Hast du dich gegen die Kälte, Grippe und all das gewappnet?

Lemmy Kilmister: Ich hatte schon eine Grippe auf der Insel zur Vorbereitung.

Eine britische Grippe zur Abwehr einer deutschen?

Kilmister: Wir Briten sind grundsätzlich auf  jedes Dreckwetter gefasst und vorbereitet. Und es gibt Medizin in großen Flaschen… (schwenkt eine halbleere Jim Beam-Flasche, deren erste Hälfte im Saftglas vor ihm steht und im Laufe der ersten Fragen verschwinden wird. Es gibt Nachschub).

Weißt du schon, wie du die in diesem Jahr Weihnachten feiern wirst?

Kilmister: Oh verdammt, ich werde wohl nach Vegas fahren, da gibt es mehr Spaß und vor allem können sie mir da keine Überraschungsparties schmeißen…

Am 24. Dezember feierst du deinen 65. Geburtstag – also keine Party mit Tannenbaum und Geburtstagstorte?

Kilmister: Weihnachten geht mir sowieso am Arsch vorbei. Ich habe mit Santa Claus nichts am Hut und mit Geschenken auch nicht.

Aber wenn dir jemand eine Flasche in der Socke über den Kamin hängt, wirst du sie doch nicht hängen lassen, oder?

Kilmister: Natürlich nicht. Ich werde 65 aber ich werde nicht blöd. Aber wenn du 65 wirst, wirst du vermutlich auch nicht mehr so genau drüber nachdenken, was du feierst. Hauptsache man feiert überhaupt noch. (Ein wenig „Medizin“ passt noch aus der Flasche zwischen die Eiswürfel im Glas.)

Feierst du allein?

Kilmister: Nein, da werden schon ein paar Kumpels sein. Nur nicht gerade von der Band. Die haben ihre eigenen Weihnachtstraditionen mit ihren Familien und so.

Wunderst du dich manchmal, dass du noch lebst?

Kilmister: Ich wundere mich schon, aber ich bin vor allem dankbar. Ich habe nicht viel dafür getan.

Du gehörst nicht gerade zu den Leuten, die einen Gesundheitsratgeber schreiben sollten…

Kilmister: Stimmt, aber ich habe auch nichts getan, um meinen Abgang zu beschleunigen. Ich habe nie Heroin genommen. Allen möglichen anderen Scheiß schon, aber keine Heroin. Die, die früh abgekratzt sind, haben es fast alle mit Heroin getrieben. Heroin ist das einzige, dass dich killt.

Bei Bon Scott (AC/DC), John Bonham (Led Zeppelin) oder Keith Moon (The Who) hat Wodka gereicht. Ist Boubon besser?

Kilmister: Keine Ahnung, bis jetzt hat er mich noch nicht umgebracht. Bis jetzt bin immer ich Sieger geblieben gegen die Flaschen… (lacht in einer Tonlage etwa so rostig dumpf wie sein Rickenbacker-Bass klingt).

Was denkst du ganz allgemein über 65-jährige Rockmusiker?

Kilmister: Ich kennen einen, der ziemlich in OK ist. Aber sonst… – manche sind Arschlöscher, andere nicht, aber das waren sie vermutlich mit 45 auch schon. Ich meine 65, das ist eine Zahl, aber es ist ja nicht alles, um einen Menschen zu beschreiben. Ein Rockmusiker ist einer, der Musik macht, das ist seine Währung, alles andere ist Bullshit.

Hast du das schon immer so gesehen?

Kilmister: Ich glaube schon. Ist zu lange her, sich daran zu erinnern. Überhaupt, wenn du anfängst, Musik zu machen, denkst du über gar nichts nach. Da willst du nur spielen und richtig Krawall machen.

Könntest du dir vorstellen, in einer Rock-Pensionärs-WG zu wohnen?

Kilmister: Ich will verdammt noch mal mit überhaupt niemandem in einer WG leben, das geht mir nach zwei Stunden auf den Senkel (Senkel hat er nicht gesagt, aber auf halbem Weg dahin war’s).

Lass uns über die neue Platte reden. Das Gitarren-Riff vom ersten Song „Born to loose“ klingt ein wenig nach „TNT“ von AC/DC, oder täusche ich mich da?

Kilmister: Ach was, im Rock ‚n’ Roll klingt alles immer wie irgendwas.

Was ist, wenn man AC/DC in hundert Jahren noch kennt und Motörhead vielleicht nicht mehr?

Kilmister: Das ist mir egal. Für mich gibt es nur Motörhead. In hundert Jahren sollen sie doch machen, was sie wollen. Fuck AC/DC. (lacht) Was hälst du von “Brotherhood of man”? Ist der Song nicht wie ein Orgasmus? Muss ich immer dran denken, wenn wir den spielen…

Tja also, ich hatte eher an einen schwarzen Atomeisbrecher gedacht, der sich knirschend durch die Arktis malmt…

Kilmister: Gut, so kann man es auch sehen. Eigentlich hatte ich mir diesen Riff nur ausgedacht, weil er gut zur Textzeile passte. Naja, Hauptsache, es haut rein.

Mit Frauen hast du es ja nie lange ausgehalten. Auf den legendären Album „Ace of spades“  vor dreißig Jahren hast du mit Blick auf Frauen gesungen, dass die Jagd besser sei als das Einfangen. Ist „Bye bye bitch bye bye“ (etwa: Mach’s gut Schlampe) jetzt die Fortsetzung zu diesem Thema?

Kilmister: Der Song ist lustig, wie? Ich mag ihn besonders. Aber es ist keine Fortsetzung. Das war nicht der Plan. Es geht einfach um eine Tussi, die dich schlecht behandelt anstatt dich zu lieben – bye, bye bitch! Wer denkt schon heute noch an Lieder von vor dreißig Jahren.

Weil wir gerade dabei sind: Was sind eigentlich die schlimmsten Unarten in Beziehungen, die du überhaupt nicht ausstehen kannst?

Kilmister: Furzen und Schnarchen. Früher oder später tun sie es alle.

Würdest du gern mal mit so einem jungen Pop-Star-Girl einen Song machen? Mit Lady Gaga, Shakira oder so jemand?

Kilmister: Die machen doch nur Klingeltöne. Mit Janet Jackson habe ich mal „Black Cat“ gemacht, das war mehr wie ein Rock-Song. Verdammt guter Riff. Mit Joan Jett und Skew Siskin habe ich auch mal was gemacht, aber das sind andere Hausnummern. Ich bin ja kein Pop-Fuzzy.

35 Jahre Motörhead, 30 Jahre „Ace of Spades“, 65 Jahre Lemmy – wie fühlt es sich an, eine Legende zu sein?

Kilmister: Fein, die meisten Leute sind freundlich zu mir.

Wie lange hat es gedauert, bis du die Gesetze dieses Geschäfts verstanden hast?

Kilmister: Dieses Geschäft hast du nie ganz verstanden. Irgendwas ist immer wieder neu. Du kannst froh sein, wenn es nicht mehr ganz so viele Bastards schaffen, dich um dein Geld zu bescheißen.

Welches war die härteste Lektion?

Kilmister: Was Journalisten für Bastards sein können.

Danke sehr.

Kilmister: Nein, ganz im ernst. Was die in all der Zeit für Scheiße über mich geschrieben haben! Das kannst du gar nicht glauben. Haben die irgendeinen Hass? Oder Probleme? Warum lügt einer einfach, dem ich gar nichts getan habe? Einer hat geschrieben, ich wäre bisexuell! Das ist doch völliger Schwachsinn. Gerüchte sind eine andere Sache, aber einfach Lügen, das ist doch krank. Manche schreiben Berichte über deine Konzerte, dass du denkst, du bist nicht dabei gewesen.

Vielen Dank für den dezenten Hinweis. Ich werde mir Mühe geben. Zum Schluss wollen wir mal ganz ehrlich sein: Du schreibst Songs, du schreibst die Texte, du produzierst Songs von anderen und bist nicht nur ein Sammler von NS-Devotionalien, sondern diskutierst auch über Details aus Joachim Fests Hitler-Biographie… Das trinkende Rocker-Raubein ist doch nur Show, oder? In Wahrheit bis du doch ein Intellektueller.

Kilmister: Ich bin kein Intellektueller. Ich kann mit ihnen diskutieren, aber ich scheiße drauf, einer zu sein. Und diesen komischen Rocker den macht doch auch ihr Typen aus mir. Ihr tut doch so, als würde ich ständig auf zwei Motorrädern gleichzeitig fahren – obwohl ich überhaupt kein Motorrad habe. Ein Girl mit zwei Arschbacken reicht mir völlig. (lacht)