Archive for Juni 2010

Wille und Wahn

Juni 24, 2010

Es war einer der wenigen SPD-Parteitage, auf denen kein neuer Vorsitzender gewählt wurde. Auf der Tagesordnung im Berliner Estrell Center stand wieder einmal das Thema „Generelles Tempolimit auf  Autobahnen“, und ein Genosse aus der Spitze der Bundestagsfraktion erklärte mir unumwunden, wie man sich das vorstellte: „Wenn wir ein Tempolimit von 130 Km/h beschließen, kann man gut und gerne 150 Km/h fahren und kommt selbst bei einer Kontrolle noch glimpflich davon. Und 150 ist doch ein guter Schnitt.“

Die Deutschen sind ein seltsames Völkchen. 59 Prozent sind nach einer Umfrage aus dem Jahr 2008 für ein Tempolimit, andere Erhebungen bringen noch mehr Lieber-Langsam-Fahrer zusammen, nur trifft man sie leider nicht auf der Autobahn. Auch auf den freigegebenen Abschnitten muss man schließlich nicht rasen, aber dass mehr als die Hälfte der Automobilisten mit gemütlichen 130 Km/h unterwegs wären, widerspricht jeder Empirie. Dass Selbstbetrug und Heuchelei allerdings sogar in die Gesetzgebung einfließen und die „schmerzlose“ Sanktionsspanne schon mit eingepreist wird, war denn doch überraschend.

Und weil wir gerade beim Auto sind: Die Automobil-Industrie habe den Trend zu Elektro- und Hybrid-Autos verschlafen – darüber sind sich nahezu alle Kommentatoren einig, die immerhin besser wissen müssen, wie man Modellpolitik macht, als die Hersteller. Nun hat VW im Jahr 2008 bei den Verkaufszahlen ein Allzeit-Hoch eingefahren und zwar mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Den Start-Stop-Golf, den es in den neunziger Jahren schon einmal gab, wollte niemand kaufen. Auch der 3-Liter-Lupo war ein Flop, weil man in dem guten Winzling kaum seine Wochenend-Einkäufe unterkriegt, bei Ikea auf verlorenem Posten steht und mit der Familie für den Urlaub einen Ersatzwagen mieten muss. Noch heute gehört es nicht zum Alltag in deutschen (und anderen) Autohäusern, dass die Käufer enttäuscht den Laden verlassen, weil sie kein Elektro-Auto bekommen. Statt dessen steht man noch immer staunend vor Boliden, die von den Kommentatoren in die Vergangenheit geschrieben werden. Porsche nutzt die korrekte Schizophrenie der Deutschen und Europäer dagegen mit ausgemachter Schlitzohrigkeit aus und bietet einen Cayenne Hybrid an: Ein tatsächlich sinnloses Gefährt, dass Geländegängigkeit vortäuscht, mit Breitreifen zum Rasen ausgelegt und wunderbar übermotorisiert ist – aber Hybrid. Protzen und Spaß mit dem Öko-Siegel.

Dabei ist die Tempolimit-Debatte lediglich ein eher unbedeutender Schauplatz jener Seelenwelt, in der scharf zwischen der Vision für das Gemeinwesen der anderen und dem eigenen Beitrag dazu unterschieden wird. Das gesamte Brutto-Netto-Wesen in Deutschland gehört beispielsweise dazu: Man verdient „gut“, bekommt aber deutlich weniger. Straftäter werden zu harten Strafen verurteilt, von denen jeder weiß, dass sie in der Regel nach zwei Dritteln der Zeit zu Ende sind. Und auch Steuersätze haben nichts mit dem Jahresverdienst zu tun, sondern mit dem „zu versteuernden Einkommen“, dass nach Kräften heruntergerechnet werden kann… Überall treffen wir auf eine nominelle Wirklichkeit, die nicht die Realität ist.

All das ist kein Zufall, denn die gespaltene Wahrnehmung gehört in Deutschland (und nicht nur dort) zum Alltag. 85 Prozent der Deutschen haben sich im September 2009 laut Infratest dimap für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns ausgesprochen. Schließlich soll es allen Menschen gut gehen. Seltsamerweise sprechen Schätzungen, die den Anteil von Schwarzarbeit am Bruttosozialprodukt bei rund zwanzig Prozent (etwa 200 Milliarden Euro pro Jahr) sehen, eher dafür, dass es eine ganze Reihe Zeitgenossen gibt, die nicht bereit sind, den Preis für auskömmliche Löhne und soziale Absicherung anderer zu zahlen. Ein befreundeter Berliner Gartenbauingenieur findet immer weniger Kunden, die für professionelle Baumfällungen  oder Arbeiten in Grünanlagen die offiziellen Preise zahlen wollen. Selbst ranghohe Mitarbeiter des Berliner Senats bestehen auf Schwarzarbeit, wenn es um den eigenen Garten geht und scheren sich einen feuchten Kehrricht um die Auskömmlichkeit der Gärtner.

Am schönsten aber war das Beispiel des rot-roten Berliner Senats, der seine gesamte Korrespondenz an die günstigere Pin AG vergeben hatte und dann im Bundesrat für den Mindestlohn der Post bei allen Dienstleistern stimmte. Wir wollen wenig zahlen, und die Mitarbeiter sollen gut verdienen. Es gehört zu den großen Missverständnissen unserer Zeit, dass man für Selbstbetrug nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Die Realität rächt sich in den meisten Fällen gnadenlos.

Ein ähnliches und hoch brisantes Feld ist in diesem Zusammenhang die Quoten-Debatte bei Führungsposten. 70 Prozent der jungen Frauen studieren Sozialwissenschaften/Pädagogik/Psychologie. Bei den Sprach- und Kulturwissenschaften (65 Prozent) oder Medizin (64 Prozent) sieht es laut einer Studie der CHE Consult GmbH vom Oktober 2009 nicht viel anderes aus. Bei den Ingenieurswissenschaften liegen die Männer mit 81 Prozent, bei Mathematik und Wirtschaftswissenschaften mit etwa 60 Prozent vorn. Aber selbstverständlich hält die Mehrheit der Deutschen es für einen unhaltbaren Zustand, dass nicht die Hälfte der Vorstandsposten im Maschinenbau oder in der Zementindustrie mit Frauen besetzt sind. Es ist ein wenig so, als gingen von zehn Sprintern drei Frauen an den Start, und fünf sollen ankommen.  Nun ließen sich Wunsch und Wirklichkeit ja annähern, wenn Frauen einfach andere Studienfächer wählten und dann in den jeweiligen Branchen aufstiegen. Tun sie aber nicht.

Und so geht es weiter, im Kleinen, wie im Großen: Die Deutschen waren es, die vor Jahren ordentlich Druck machten, dass es den Hühnern in Legebatterien besser geht und die Tiere mehr Platz haben. Heute importiert Deutschland Eier aus Legebatterien, weil die Deutschen weiter billige Eier kaufen, die man hierzulande nicht mehr produzieren kann. Die Deutschen wollen möglichst umfassende Dienstleistungen vom Staat, aber sie wollen keine Steuern zahlen und feilschen mit dem Finanzamt, dass es knackt. Sie wollen keine Kernkraftwerke, keine Tagebaue und keine Kohlekraftwerke, Gasgeneratoren stehen unter Verdacht, Kohlendioxid soll nicht im Boden gelagert werden und außerdem gründen sie massenhaft Bürgerinitiativen gegen Windräder. Der Strom kommt schließlich aus der Steckdose.

Ein deutsches Patent ist dieses Pippi-Langstrumpf-Prinzip – „wir malen uns die Welt, wiede,  wiede, wie sie uns gefällt“ – nun auch wieder nicht. Die Europäische Union zum Beispiel gibt sich einen Außenminister (damit Henry Kissinger endlich eine Telefonnummer für Europa bekommt) und einen Ratspräsidenten, aber natürlich will niemand in der EU, dass Brüssel wirklich autarke Außenpolitik macht. Ein starker Kontinent, der mit den Muskeln seiner Mitglieder weltpolitische Hebel ansetzt, wäre eine schöne Sache, ist aber eine Illusion. Deshalb beschließen die Europäer so, als sei die Vision Realität und besetzen den Posten mit Catherine Ashton.

Nun sind Platzhalter-Besetzungen in der Politik nicht ganz ungewöhnlich. So richtig skurril wird es aber, wenn die Vision Euro nicht funktioniert, weil sich seine Teilnehmer nicht ans gut gemeinte, straffe Reglement der Gemeinschaftswährung halten und zur Abhilfe einfach noch eine Vision oben drauf gepflanzt wird: Eine Art Wirtschaftsregierung soll stärker Einfluss auf die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der EU-Länder nehmen, damit demnächst nicht der nächste Patient  durch ausufernde Ausgaben in die Schuldenfalle tappt. Dabei dürfte schon jetzt jedem wachen Beobachter klar sein, dass britische Liberale sich auch in Zukunft nicht von französischen Etatisten in ihre Haushaltspolitik hineinreden lassen werden. Und umgekehrt. Natürlich wäre eine europäische Wirtschaftsregierung richtig und wichtig für den einheitlichen Währungsraum, nur kann man halt nicht einfach beschließen, wie die Welt sein soll. Auch wenn es noch so schön wäre.

Leider, so scheint es, ist aber die Verführung der guten Tat zu stark, um gegen biederen Realismus anzukommen. Und weil Europa ja im Grunde eine einzige große Vision ist, muss man sich nicht wundern, dass sich selbst einfache Wahrheiten mitunter auf den Kopf stellen. Besonders deutlich wird das in der Debatte um die Aufnahme weiterer Mitglieder. Jeder, der schon einmal in einer Wohngemeinschaft gelebt hat weiß, dass „die Neuen“ zur Truppe passen müssen. Im Falle Europas gibt es aber immer wieder Wortmeldungen, die Neuaufnahmen fordern, damit diese Länder an Europa herangeführt werden. Belohnung vor der Leistung kann funktionieren, muss es aber nicht. Erstmal rein in die gute Stube, dann werden wir schon weitersehen.

Beim SPD-Parteitag im Berliner Estrell Center wurde das Tempolimit damals nicht beschlossen. Der „Auto-Kanzler“ Gerhard Schröder wusste es zu verhindern. Ein herber Rückschlag für die Bußgeld-Kalkulation der kommenden Jahre und für all jene, denen es weniger ums Autofahren, als vielmehr um das tiefsitzende Unbehagen geht, dass Bürger auf einem kleinen Stück des Wegs einfach machen können, was sie wollen. Beim nächsten Parteitag wurde dann wieder ein neuer Vorsitzender gewählt. Ganz schnörkellos und ohne  Visionen.

Die Hardware-Blase oder Inter-nett statt notwendig

Juni 15, 2010

Was ist Erfolg? Erfolg ist, wenn es ein Hersteller schafft, Menschen den Eindruck zu vermitteln, sie müssten seine Produkte haben, noch bevor sie sie brauchen. Ob iPhone oder iPad – in Scharen trifft man sie inzwischen die Fans und Freaks, die bestellen, noch bevor das Gerät auf dem Markt ist.

Damals, „zu meiner Zeit“ und ehedem schaffte man Dinge an, wenn es zweckmäßig erschien oder man bestimmte Dinge eleganter erledigen wollte. Heute kauft man das iPad und versucht dann herauszufinden, was man damit anfangen kann. Und ob überhaupt. Es ist, als würde ein leidenschaftlicher Weintrinker sich einen absolut angesagten Eis-Crusher kaufen, zweckmäßigerweise auf Cocktails umsteigen und schließlich den Komfort der Eis-Zubereitung loben.

Und so stehe ich denn ratlos in der U-Bahn und frage mich: Warum fällt mir nichts ein, was ich jetzt mit einem iPad erledigen könnte? Leide ich unter digitaler Dysfunktion oder bin am Ende gar ein „lately adopter“? Was ist schiefgelaufen in meiner Kindheit, dass ich Dinge immer erst kaufe, wenn ich sie brauche und nicht auf Vorrat?

Oder ist nicht vielmehr dies der Stoff, aus dem die flüchtigen „Blasen“ unserer Zeit gemacht sind: Ökonomie, die nicht auf Nachfrage und materielle Produktion baut, sondern auf Trends und Moden, Wertpapiere, die gekauft werden, weil sie alle kaufen, geistloser Zeitgeist, statt bodenständiger Problemlösung…? Das könnte man jetzt mal googlen – wenn man ein iPad dabei hätte. Aber man kann es eben auch lassen.

Olbertz-Trilogie (Abschluss)

Juni 13, 2010

Das Letzte gleich zuerst: Jan-Hendrik Olbertz kann Präsident der Berliner Humboldt-Uni werden. Für viele mag das das Letzte sein, mir geht es vor allem darum, dass die Entscheidung: ist man dafür oder dagegen –  erst am Schluss eines umfassenden Abwägungsprozesses erfolgen kann. Also als letztes.  Dem greife ich hier vor und will es hinterher auch erläutern:

Durch die öffentliche Debatte um seine Schriften, seine Person und die Rolle von Mitläufertum in der DDR ist Olbertz Teil, aber auch Träger dieser Diskussion geworden. Er wird das „Umstrittensein“ mit ins Amt nehmen, repräsentieren und durch die Inhabe des Amtes wachhalten. Das ist in diesem Falle und in dieser Konstellation in meinen Augen vertretbar. Es ist kein Patentrezept für den Umgang mit schwierigen Biographien nach dem Motto: Betraut alle Diskreditierten mit hohen Ämtern, damit sie weithin Zeugnis geben von den Verfehlungen der Vergangenheit.

In diesem speziellen Falle ist Olbertz zu Stellungnahme und Diskurs gezwungen worden; nicht für jeden befriedigend, aber doch so intensiv, dass die Mechanismen des öffentlichen Gedächtnisses den Vorgang festhalten werden. Zwanzig Jahre Nachwende-Tätigkeit und die Debatte haben gezeigt, dass er die Flecken auf seiner Weste als solche erkennt und nicht als liebenswertes individuelles Muster schönfärbt. Damit sollte er seine Chance verdient haben. Wiederholungsgefahr besteht nicht. Einsicht ist vorhanden. Der entstandene Schaden ist überschaubar. Der Posten eines Hochschulrektors kann zumindest nach meinem subjektiven Eindruck in diesem Fall mit kleinen Abstrichen vom absoluten polit-historischen Reinheitsgebot wahrgenommen werden.

Dass Jan-Hendrik Olbertz sich dieser Tage zur Podiumsdiskussion mit seinen direkten Kritikern bereit erklärte, muss ihm ebenfalls angerechnet werden. Peinlichkeit, Reue und selbstkritische Reflexion konnte man ihm bei diesem Auftritt durchaus abnehmen, auch wenn ein gewisser Anteil smarter Geschmeidigkeit dabeisein dürfte. Unschön fallen allerdings allzu offensive Verteidigungsversuche mit dem Tenor auf: Erst die Stasi, dann die Blockparteien, nun die Akademiker – Hexenjagd gegen alles, was sich in der DDR bewegt hat… Ganz so einhellig ist die Front gegen ihn denn doch nicht. Das akademische Konzil der HU steht hinter ihm (und seinem eigenen Votum verständlicherweise), und auch aus der Politik gab es Unterstützung.

Der einzig vertretbare und akzeptable Duktus des Umgangs mit Olbertz‘ Ideologie-Traktaten von damals kann in seiner Position nur Demut sein. Das klingt theatralisch, folgt aber im Grunde der Logik aktiver Trauerarbeit. Mag sein, dass er bis heute meint, er habe damals keine andere Chance gehabt – zu rechtfertigen gibt es an den beiden Dissertationen gleichwohl nichts, und man kann nur darüber trauern, dass Menschen in eine Situation gebracht wurden, zwischen ihrer eigenen Angst und Mitläufertum zu wählen. In dieser Haltung der Demut verbergen sich gleichermaßen die Erkenntnis und das Bekenntnis, dass man sich stets gegen jeden Ansatz totalitären Drucks zur Wehr setzen muss. Damit wären Olbertz‘ Fehltritte von einst ins Produktive gewandt und in gewisser Weise aufgearbeitet. Soweit dies denn möglich ist. Er sollte allerdings nicht durch psychologisch nachvollziehbaren Trotz und den Schmerz der verlorenen Unschuld dieses Fazit in Frage stellen.

Die meisten seiner Verteidigungsversuche gehen ohnehin nach hinten los. So räumt Olbertz durchaus die massive Ideologielastigkeit seines Faches, der Erziehungswissenschaften, in der DDR ein. Meint aber, das Recht, dieses Fach in der DDR zu wählen, könne man ihm nicht absprechen. Da hat er formal Recht. Nur kann das Prinzip nicht lauten: Wir bilden eine entlastende Causal-Kette nach dem Motto: Das Recht, Grenzer zu werden, hatte ich, und dass Grenzer schießen, gehörte dazu. Die Selbstverantwortung beginnt spätestens bei den eigenen Taten. Ganz gleich, welche Berechtigung vorherige Entscheidungen hatten.

Dass es einem ehrgeizigen Intellektuellen viel abverlangt, auf solche Versuche des Ausbruchs aus dem Gefängnis der eigenen Biographie zu verzichten, ist nachvollziehbar. Zumal, wenn die Selbstwahrnehmung im Augenblick des Verbiegens schon die eines gepeinigten Opfers gewesen sein mag. In diesem Sinne ist Jan-Hendrik Olbertz ein Sybol für viele DDR-Lebens(mit)läufe: Auch wenn wir noch so widerwillig zu befohlenen Demonstrationsterminen gingen, waren wir am Ende die Jubel-Staffage des Systems. Damit muss man leben, damit kann man auch leben. Vorausgesetzt, man ist sich dessen bewusst.

Nachtrag Olbertz

Juni 2, 2010

Oft höre ich im Zusammenhang mit dem Fall des designierten Präsidenten der Humboldt-Universität (siehe Beitrag unten): „Ja, wenn wir so anfangen….“ Soll wohl heißen: Solches Pflichtgeschwurbel haben wir doch alle irgendwo abgeliefert. Stimmt, macht es aber nicht besser. Außerdem stimmt es auch wieder nicht, weil manche eben weniger dick auftrugen.

Grundsätzlich ist dieser, auch oft von Alt-Bundesbürgern geäußerte verständnisvolle Ansatz aber Basis-Demokratie am falschen Fleck. Motto: Es muss nur genug Leute geben, die vergessen wollen, dann ist es in Ordnung. Gut, dass diese Logik in der Nachkriegszeit niemandem durchgehen gelassen wurde. Dinge werden nicht besser, wenn alle sie tun. Im Grunde geht es im Fall Olbertz gerade darum, sich bewusst zu machen, wie diese Mechanismen funktionieren, damit sie so nicht wieder funktionieren. Deshalb sollten wir genau „so anfangen“, denn es kann ja nicht sein, dass Unfug und Menschenverbiegerei deshalb mit wohlwollendem Vergessen überzogen und in den Skat der Geschichte gedrückt werden, weil sie ein Massenphänomen waren.

Mag Olbertz den HU-Job bekommen oder nicht, die schmerzliche Erinnerung an solche Dinge ist das, worum es geht. Wenn wir nicht „so anfangen“, fängt womöglich demnächst irgendwo wieder jemand genau so an. Interessant ist freilich, dass es offenbar auch etliche Zeitgenossen gibt, für die die grobe Beschränkung von DDR-Aufarbeitung auf Karteikarten und Stasi-Mitarbeit eine durchaus bequeme Lösung ist.