Ein allzu schlechter Trickbetrüger diskreditiert den Betrogenen. Wenn man schon übers Ohr gehauen wird, will man sich wenigstens damit trösten, dass es ein Meister seines Faches war, der einen da ausgenommen hat.
Bei Angela Merkels Atom-Ausstieg kann man das nicht behaupten, und so ist es denn vor allem die intellektuelle Beleidigung, die einem nach Laufzeitenverlängerung und Turbo-Ausstieg in Aversionen stürzt. Welche Meinung darf’s denn sein? Wir haben sie alle! Wenn man sich nicht einmal mehr die Mühe macht, den Bürger mit raffinierten taktischen Volten zu beeindrucken, fühlt man sich denn doch als allzu dämliches Stimmvieh vera….lbert. Soll ich wen wählen, der mich für bekloppt hält?!
In der Sache, war die Laufzeitenverlängerung durchaus sinnvoll, weil sie einen durchdachten Umstieg auf erneuerbare Energien nach bester konservativer Art ermöglichte: Diese Ressourcen, diese Infrastrukturen stehen zur Verfügung, also kann man die entsprechenden Kapazitäten Schritt für Schritt abschalten. Nun wird ein hochkomplexer 10-Jahres-Plan beschlossen – der ehrgeizigste seit Lenin mit seinem GoElRo Russland elektrifizieren wollte – bei dem niemand wirklich sicher ist, dass es funktioniert.
Psychologisch beugt sich Merkel einer Stimmung, die zwar nachvollziehbar aber nicht logisch ist: Wer mit dem Flugzeug unterwegs ist, muss das Restrisiko Absturz in Kauf nehmen. Da die eigene Auslöschung der größte Unfall jedes Individuums ist, ist das Beispiel durchaus mit einem Atom-Gau vergleichbar. Wenn einem der Vorteil (schnelle Reise, umweltfreundliche Energie) in beiden Fällen das Restrisiko nicht wert ist, muss man aussteigen. Kann einem aber irgendwer erklären, warum man von nun an zehn Jahre friedlich neben den deutschen (polnischen, französischen, tschechischen etc.) Atomkraftwerken vor sich hin lebt, wenn die Meiler eine nicht hinnehmbare Bedrohung sind? Und wenn zehn Jahre, warum nicht zwölf oder vierzehn? Es gibt nur zwei plausible Gründe, warum irrationale Ängste ernstgenommen werden: Therapie oder Ausnutzung.
Geradezu absurd und in der Durchschaubarkeit eine regelrechte Verhöhnung der Öffentlichkeit ist die Tatsache, dass eine „Ethikkommission“ über Laufzeiten und Reaktorsicherheit befindet und dann ernsthaft als Entscheidungsfundament der Politik herangezogen wird. Eine dreistere Verdummung hat es lange nicht gegeben! Was bitte schön, qualifiziert denn eine Ethikkommission zu Risikoabwägung und Laufzeitenabschätzung? Wird sie demnächst auch über technische Risiken der Kohlendioxid-Verpressung befinden, die Sinnhaftigkeit neuer Raumfahrt-Missionen begutachten oder dem Novartis-Konzern neue Wege in der Polymerforschung anempfehlen? Ebensogut hätte man die vatikanische Glaubenskongregation um ein Votum bitten können.
Unredlich ist dieser Coup aber vor allem, weil ganz offensichtlich ist, dass von den Akteuren niemand daran glaubt. Alle Experten und die meisten Vertreter der Koalition geben (in Hintergrundgesprächen) zu, dass sich nicht die Sicherheitslage der deutschen Meiler nach Fukushima verändert hat, sondern die Risikowahrnehmung. Im Klartext: ,Wir reden euch nicht mehr nur nach dem Mund, wir handeln auch danach.’ Eine Methode, die unter dem Titel Populismus etwas unappetitlich klingt und deshalb nun mit umso forscherem Durchregieren der mehr als angebrachten Zweifel enthoben werden soll. Wäre ich überzeugter Atomkraftgegner, würde ich mir von Laufzeitverlängerern keinen Green-Deal verkaufen lassen. Wäre ich Merkel, würde ich es auch nicht versuchen. Aber inzwischen beginne ich zu verstehen, warum die Masche mit dem vermeintlichen Lotto-Gewinn, den man sich auf einer Bus-Reise abholen muss, immer noch zieht. Womit wir wieder bei den Trickbetrügern wären…