Der bin-Laden-Coup im Spiegel der deutschen Stil-Kritik

Wer bisher glaubte, der Gipfel von Dekadenz werde in Wein-Kolumnen („samtiger Abgang mit einem Hauch Holunder und seeseitig blühendem Majoran“) oder den Fukushima-Episteln des ZEIT-Feuilletons („orgasmische Entladung“) erreicht, wurde in der zurückliegenden Woche eines noch Schrägeren belehrt: Die Stil-Kritik des internationalen Anti-Terror-Einsatzes gegen Osama bin Laden.

Es beginnt mit einem absoluten „No Go“ der Militär-Etikette: Das Erschießen eines weltweit gesuchten Groß-Terroristen ohne Warnanruf, Verlesung der Rechte und Überprüfung auf Bewaffnung. Die Akribie, mit der die Details des Hergangs hierzulande analysiert wurden, lassen zudem den Schluss zu, dass der Ehrenkodex des großen Western-Helden Wyatt Earp direkten Eingang in die UN-Charta der Menschenrechte gefunden hat: Mannhaft im Feuergefechte hätte man bin Laden gerade noch füsilieren dürfen. Für den Fall, dass er womöglich unbewaffnet war, erfolgt die publizistische Überstellung der diensthabenden Navy Seals an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Schließlich hätte man fairerweise auch warten können, bis Leibwächter oder andere Verstärkung auf Seiten des Terror-Drahtziehers, der Aktion wieder zu sportlicher Fairness verholfen hätten.

Dass die kulturlosen Amerikaner den Tod des wohl bekanntesten Hass-Video-Darstellers feiern und sich die deutsche Bundeskanzlerin gar noch darüber freut, ist ebenfalls ein klarer Fall zum Nachsitzen im Al-Qaida-Benimm-Kurs. Stillosigkeit Nummer drei: die Seebestattung. Mit muslimischem Beerdigungsritus nur schwer in Einklang zu bringen, schrieben verschiedene Feuilletonisten, die sich zu diesem Zwecke eigens in die Kulturtraditionen islamischer Glaubensrichtungen einlasen.

Man muss sich also kaum noch wundern, dass die Amerikaner auch bei der Wahl des Code-Namens der Operation einen unverzeihlichen Stil-Fauxpas begingen: „Geronimo“! Ausgerechnet „Gironimo“! Die Fachzeitschrift „Terror In Style International“ würde diesen geschmacklosen Rückgriff auf den Legendären Apachen-Führer in ihrer wöchentlichen Kolumne „Hass Du mich gesehen!“ vermutlich mit drei schwarzen Kalaschnikows abwärts bewerten. Fassungsloses Kopfschütteln auch bei den versammelten Army-Anstandskritikern von „Vier gewinnt“ auf n-tv.

Das Fazit: Der weltweit meistgesuchte Terrorist ist gefasst, ABER das allein kann es ja doch wohl nicht sein! Völkerrechtlich unzulässig, mit Pakistan nicht abgesprochen, und in der Umsetzung so peinlich wie ein Chateau Lafite-Rothschild zum Dessert oder hellblaue Socken zur braunen Hose. Eine formvollendete Entschuldigung beim Generalsekretariat von Al Qaida und angemessene Ausgleichszahlung an den Witwen-Fonds erfolgreicher Selbstmord-Attentäter ist das Mindeste, was Washington nach dieser peinlichen Pleite schuldig ist…

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6 Antworten to “Der bin-Laden-Coup im Spiegel der deutschen Stil-Kritik”

  1. Vorsicht! Hyperbel Says:

    In diesem Sinne: De mortuis nihil nisi bene.

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  2. avi Says:

    hahaha selten so gelacht. deutschland verblödet ja noch schneller als sarrazin bestseller schreiben kann. und die verblödung scheint bei den medienvertretern und kirchenfürsten beider konfessionen ja schon ziemlich weit fortgeschritten zu sein.

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  3. tagesschau Says:

    klasse!

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  4. Bärli Says:

    Wie wahr, die Absurdität kennt keine Grenzen.
    Passend dazu: In Frankfurt darf der üble Hetzer Pierre Vogel öffentlich auftreten.

    Wer es immer noch nicht gemerkt hat, wohin wir steuern, der konsultiere den Arzt seines vertrauens.

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  5. Petra Kursawe Says:

    Und hier noch ein herrlich geschmackloser Witz zur besten Nachricht der Woche:
    Treffen sich 2 US-Soldaten. Sagt der eine: „Du, ich habe Osama bin-Laden getroffen!“ Fragt der andere verblüfft: „Ach, wo denn?“
    „Genau ins Auge …“

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  6. René Says:

    Dann wäre es jetzt gebotene Aufgabe der Historikerschaft, das (leider vergebliche) Tun eines gewissen Claus Graf Schenk von Stauffenberg und seiner Mitstreiter am 20.07.1944 historisch bzw. völkerrechtlich korrekt neu zu bewerten.

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