Deutschlands Protestanten sind enttäuscht. Das schreiben zumindest die meisten Kommentatoren über das Treffen des Papstes mit den Vertretern der Evangelischen Kirche in Erfurt. Sie hatten auf „deutliche Schritte“ oder Gesten des Pontifex Maximus im Sinne der Ökumene gehofft. Was genau sie sich da vorgestellt hatten, weiß man nicht. Wahrscheinlich hätte der Nachfolger Petri sich ein Beispiel an der Kanzlerin und ihrer Energie-Wende nehmen sollen: ,Wir haben jetzt 500 Jahre gestritten. Also gut: Ihr habt recht.‘
Zugegeben – eine recht banale Vorstellung. Einerseits ist die Kirchentrennung im Zuge der Reformation ja nicht grundlos erfolgt, sondern wegen bis heute bestehender unterschiedlicher Auffassungen über Gott und die Menschen. Andererseits kann der Führer einer Weltkirche nicht eben mal als nette Geste an seine Landsleute aus der Thüringischen Landeshauptstadt die Botschaft an 1,2 Milliarden Katholiken senden: Von heute an sehen wir die Sache mit dem Abendmahl einfach etwas lockerer.
Benedikt XVI. hat den Reformator Martin Luther ausdrücklich gewürdigt, hat zentrale Orte seines Wirkens besucht und damit klar gemacht, dass Rom ihn nicht länger als ketzerischen Spalter ansieht, sondern als einen Menschen auf der Suche nach Gott und dem Glauben. Mit anderen Worten: Auch wir (Rom) haben damals Unrecht getan und Anlass zu reformatorischen Umtrieben gegeben. Eine beachtliche Geste, zu der die Vorgänger Josef Ratzingers sich nicht herbeilassen konnten und eine gute Grundlage für weitere Gespräche.
Enttäuscht kann davon nur sein, wer Ökumene als eine Art Koalitionsverhandlungen versteht, die mit einem „guten Kompromiss“ für beide Seiten enden. Aber das Himmlische lässt sich nicht irdisch verrechnen. Und es ist schon ein – nicht wirklich überraschendes – Zeugnis religiöser Unkenntnis und Ignoranz vieler Medienleute, hier im Ernst liturgische oder theologische Gastgeschenke aus Rom erwartet zu haben.
Noch absurder nehmen sich da nur die Appelle etwa des Bundespräsidenten bei der Begrüßung des Papstes aus. Christian Wulff, von dem man weiß, dass er als geschiedener Katholik persönlich unter der Zurücksetzung beim Abendmahl leidet, mahnte gerade heraus Reformen beim Zölibat, bei der Rolle der Frau und im Umgang mit Geschiedenen in der Katholischen Kirche an.
Nun ist aus katholischer Sicht die Ehe ein Sakrament, das sich die Eheleute gegenseitig spenden. Würde sich Benedikt hier also großzügig zeigen, so müsste er an Kernbestände des Glaubens heran. Es beginnt mit dem Ehegelübde, sich bis zur Scheidung durch den Tod treu zu sein, in guten wie in schlechten Tagen: Einen solchen Schwur kann man sinnvollerweise nur einmal ablegen. Zumindest, wenn man ihn ernst meint. Akzeptiert man ihn – etwa in Schröder/Fischerscher Serienauflage – , müsste er konsequenterweise in eine Art lose Bemühenszusage umformuliert werden.
Nun gut, Menschen sind fehlerhaft, aber ein Sakrament, das man gern immer wieder brechen kann, wäre kein solches mehr. Dabei ist es schon einigermaßen plausibel, die innigste Beziehung zwischen zwei Menschen, die zudem normalerweise den Fortbestand der Menschheit sichert, als geheiligt anzusehen. Im Klartext: Der Papst müsste, um Wulffs Bitte zu erfüllen, mal eben rasch eines der sieben katholischen Sakramente abschaffen. Das wird er realistischerweise nicht tun, auch wenn es sicher eine schöne Geste wäre, um auf die evangelischen Christen zuzugehen.
Noch interessanter ist aber die Begründung deutscher Reform-Katholiken für diese Forderung: Die strikte Treue passe nicht zur Lebenswirklichkeit moderner Menschen, heißt es. Da haben sie zwar recht, nur ist die Logik dahinter genauso bezeichnend wie absurd: Wenn unsere Lebensweise nicht mit göttlichen Regeln harmoniert, muss Gott halt sich und seine Regeln ändern. Wir doch nicht uns! Wenn der Glaube an Gott aber einen Sinn haben soll, dann gewiss nicht den, Gott nach unserem Bilde zu formen, damit seine Religion uns dient und Spaß macht.
Wer täglichen Trost sucht, der sich als flexible Dienstleistung unseren Gewohnheiten, Irrwegen und Zivilisationsmacken anpasst, ist im reichhaltigen deutschen Vereinsleben besser aufgehoben, als in der katholischen Kirche. Die hat sich vor 500 Jahren bewusst nicht für den Weg von Martin Luther entschieden. Wer Frauenpriestertum, Abendmahl für alle und Kondomverteilung in Afrika wünscht, hat seitdem eine Alternative.