Seltsam: Eine ganze Generation hat das Kochen verlernt, sagt Star-Köchin Sarah Wiener im SZ-Interview. Trotzdem gilt „Herdprämie“ als Schimpfwort. Und das in einer Gesellschaft, die Fehlernährung und Übergewicht längst zu einem politischen Problem ausgerufen hat.
So viel Scheinheiligkeit, Heuchelei und Dummheit wie in der aktuellen Debatte um das Betreuungsgeld war lange nicht. Dabei ist die Ernährung nur eine von vielen Kulturtechniken, die in Familien weitergegeben werden oder eben nicht. Wer mit Papa Klopse knetet, bekommt Bindung, Bildung und Vorbild mit auf den Weg. „Herdprämie“ wäre also selbst dann kein Schimpfwort, wenn das Betreuungsgeld eine wäre. In der Praxis werden 100 oder 150 Euro niemanden davon abhalten, sein Familienleben so einzurichten, wie er es selbst für richtig hält.
Berliner „Tagesspiegel“ vom 27. April 2012: „Was Untersuchungen wie die große Nichd-Studie aus den USA schon gezeigt haben, bestätigte sich auch hier: Wie weit kleine Kinder in ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrer Reife sind, hängt am meisten von Merkmalen ihrer Familie ab – selbst wenn sie ganztags in die Kita gehen. Positiv wirken sich hier vor allem der Bildungsstand der Mutter und ihre Gemütsverfassung aus.“ Was spricht also dagegen, Eltern an dieser Stelle zu unterstützen?
Was offenbar dagegen spricht, hat NRW-Ministerpräsidentin Hannolore Kraft (SPD) in der Frankfurter Allgemeinen am Sonntag zum Besten gegeben: Sie plädiert für Kita-Pflicht (Schluss mit Wahlfreiheit!), weil Bildung in der Kita beginnen müsse. Dann würden sich die teuren Kita-Plätze auch wieder lohnen, weil die arbeitenden Mütter (von Vätern geht die SPD offenbar nicht aus) ja Steuern zahlten. An dieser Stelle müsste nun eigentlich auch der letzte Skeptiker zum Betreuungsgeld-Fan werden: Wahnsinn mit Methode. Einen gröberen Unfug hat in der ganzen Debatte noch niemand geredet. Das Kind muss in die Kita, damit Mama über ihre Einkommenssteuer die Kita-Kosten finanzieren kann. Diesen Beitrag müssen die Kinder schon zum Funktionieren des Kita-Steuer-Systems leisten.
Einen interessanten Aspekt hat der Journalist Günter Ederer in die Betreuungsgeld-Debatte eingebracht. Obwohl er selbst aus ordnungspolitischen Gründe gegen das Betreuungsgeld ist, fragt er, ob die Freunde der Kita-Betreuung genauso argumentieren würden, wenn einer Hundemutter die Welpen wegnähme und ins Tierheim gäbe. Aber das ist natürlich grob unsachlich….
Der Gipfel des Absurden wird aber erreicht, wenn die Kritiker das Betreuungsgeld zuerst dafür geißeln, dass es gerade Hartz-IV-Bezieher und Migranten davon abhalte, ihre Kinder in die Kita zu schicken und sich dann darüber empören, wenn Hartz-IV-Bezieher kein Betreuungsgeld erhalten sollen. Diejenigen, die erst Transferempfänger und Migranten unter Generalverdacht der Erziehungsunfähigkeit gestellt haben, erheben lautstark Klage, weil das Erziehungsgeld Transferempfänger und Migranten unter Generalverdacht der Erziehungsunfähigkeit stelle.
Der Streit ums Betreuungsgeld ist im Grunde nichts anderes als der erbitterte Kulturkampf jener, die Berufstätigkeit für progressiv und Familie für unmodern bis reaktionär halten. Rechtfertigung eigener Lebensentwürfe mag da von Fall zu Fall wohl auch eine Rolle spielen. Überraschend ist vorallem die Verbissenheit auf der Seite der Betreuungsgeld-Gegner, die ja eigentlich ganz gelassen sein könnten, spielt ihnen doch angeblich die Moderne in die Hände. Außerdem ist auch nirgendwo davon die Rede, dass ausschließlich die Mütter daheim bleiben sollten oder müssten.
An dieser Stelle kommt man kaum noch umhin, der amtierenden Familienministerin Kristina Schröder (CDU) mehr wahre Emanzipation zu bescheinigen, als der gesamten KritikerInnen-Schar. Ihr Buch („Danke, emanzipiert sind wir selbst“) hat vor allem eine Botschaft: Frauen, Mütter, Familien brauchen keine Fremdfirmen, um sich Lebensentwürfe vorschreiben zu lassen. Daheim oder im Job – macht einfach!