Das Fazit gleich vorweg: Bildungspolitik ist das Mekka der Dummschwätzer, Scharlatane, Ideologen, Gesundbeter, Reform-Euphoriker, Anstrengungsvermeider,Versagensentschuldiger und Verständnishuber!
Gerade ist Hella Wenders Film „Berg Fidel – Eine Schule für alle“ in die Kinos gekommen. Im ZDF sagt die Regisseurin, sie habe in ihrer Schulzeit leider nur Frontal-Unterricht gehabt, das müsse man sich mal vorstellen!
Moderne Mythen, Teil eins: der schlimme Frontal-Unterricht. Wer mit den Kindern mal ein Wochenende lang Flächen- und Rauminhalte in Zehnerpotenzen gerechnet hat, weil in der Schule nichts hängengeblieben ist, der ist vom Lernen in „offenen Gruppen“ und „Lernbüros“ gründlich geheilt. Was zum Kultus-Kuckuck spricht gegen einen Lehrer, der bei Nichtverstehen sofort erklärt? Der mit der Klasse auf Zuruf Beispiel-Aufgaben im Kopf rechnet und die Verständnisfrage des einen für alle an der Tafel erklärt. Nimmt eigentlich irgendeiner dieser pädagogischen Selbstbefriediger zur Kenntnis, dass Sprachenlernen im Selbststudium Unfug ist? Dass ein guter Lehrer vorn wie ein Chorleiter mit allen arbeiten kann, anstatt wirren Wildwuchs beim Lernen zu akzeptieren?
Moderne Mythen, Teil zwei: Jahrgangsübergreifendes Lernen. Es geht nichts über Pilotprojekte mit ausreichend Personal. Und es geht alles über die Mangel-Praxis, in der ein armer Lehrer-Wicht gleichzeitig den Zahlenigel für die ABC-Schützen erklärt, Formblätter für Addition bei den Älteren verteilt und die Dritten sich mit Bruchrechnung beschäftigen. Am Ende hat keiner was begriffen, und der Lehrer geht in Frühpension. In der Praxis ist das Modell längst durchgefallen, wird aber tapfer weiter betrieben.
Moderne Mythen, Teil drei: die Ganztagsschule. Sie ist die Heils-Verheißung der modernen Gesellschaft schlechthin: Die Ganztagsschule sollte am besten zur Pflicht- und Regelschule gemacht werden, lautet seit geraumer Zeit das Mantra der sich fortschrittlich dünkenden Links-Eliten. Eine Lösung für alles. Vollberufstätigkeit für die Eltern, mehr Lernstoff in Kinderköpfe, Aufstiegschancen für Arbeiterkinder, weniger Einfluss von Unterwelts-Cliquen auf den Nachwuchs, Kontakt-Vermeidung zum Prekarier-Milieu. Schule ist gut, Ganztagsschule verbessert die Welt. Dabei leistet die deutsche Durchschnittsschule kaum ihren Bildungsauftrag und soll nun auch noch den Rest der Gesellschaft reparieren. Dezent ignoriert werden auch Langzeit-Studien, die klar zeigen: Ohne den in der Familie bereiteten Boden, geht auch die beste Saat der Schule nicht auf. Für versagende Familien gibt es keinen Ersatz. Und wer die Schule zur Stätte der kompletten Lebensertüchtigung machen will, müsste erst einmal die Schulen in einem Maß ertüchtigen, dass die Finanzminister der Länder die Grundrechenarten für eine Legislaturperiode außer Kraft setzen müssten. Im Praxistest zeigt sich oft: Bei Ganztagsschülern müssen die Eltern genaus intensiv nacharbeiten wie bei Normal-Schulen, nur haben sie weniger Zeit dafür.
Moderne Mythen, Teil vier: Schluss mit der Pauk-Schule! Nein, Schüler müssen nicht stupide Formeln und Jahreszahlen in sich rein bimsen. Aber es hilft doch dem Verständnis der Welt hin und wieder auf die Sprünge, wenn man von den Gesetzen der Massenanziehung, Energieerhaltung oder chemischen Reaktionen schonmal was gehört hat. Erst Chemie und Physik in der Schule abwählen, und dann frei flottierenden Unsinn über Klimawandel, Verbrennungsmotoren oder die Energiewende erzählen! Man kann alle Formeln googlen, aber das Verständnis der in ihnen hinterlegten Zusammenhänge muss man schon selbst mitbringen. Der Glaube an die Energiewende wird am Ende nicht über ihr Gelingen entscheiden.
Moderne Mythen, Teil fünf: Lernen muss Spaß machen. Ja, mit etwas Geschick können Lehrer den Stoff so aufbereiten, dass es spannend wird, herauszufinden, was man noch nicht wusste. Aber man kann auch stolz auf Dinge sein, die man sich mit Mühe erkämpfen musste. Lernen nach dem Lustprinzip lockt auf eine falsche Lebensfährte und wird spätestens beim Umrechnen von Kubikmeter in Liter an seine Grenzen stoßen. Hier geht es nicht um Rohrstock und Tabellenbuch, sondern um die Binsenweisheit, dass man als kleiner Mensch nicht wissen kann, was man nicht weiß und später mal wissen muss. Mit anderen Worten: Es geht um die Verantwortung von Eltern und Schule. Die Wünsch-dir-was-Schule ist verantwortungslos.
Moderne Mythen, Teil sechs: Reform-Schule ist gute Schule! Was ist in den letzten Jahren nicht alles reformiert, herumgedoktert und probiert worden. Das immer gleiche Muster: Gut gemeintes Pilotprojekt mit Wunschausstattung an Geld und Personal scheitert im pädagogischen Alltag und wird trotzdem weitergemacht, weil Bildungspolitiker ja nicht eingestehen wollen, dass sie einige Schüler-Jahrgänge ohne Sinn und Gewinn mit irgendwelchen Testläufen verheizt haben. Dass auch private Schulen unsinnige Konzepte verfolgen und glauben, das Lehren und Lernen müsse immer wieder neu erfunden werden und lasse sich mit noch schrilleren Projekten für Lehrer, Schüler, Eltern aufpeppen, macht die Sache nicht besser.