Parteien sind sich selbst genug und naturgemäß der Meinung, dass es außer ihnen selbst keiner weiteren bedarf. Die grassierende AfD-Bissigkeit im derzeitigen Polit-Geschäft ist also ein normaler und „gesunder“ Auswuchs unseres Parteiensystems. Dächten sie allerdings einen Moment über sich hinaus, so müssten die etablierten Streiter der „Altparteien“ zumindest im Stillen der AfD dankbar sein.
Denn im Grunde lebt auch der demokratische Organismus von Vielfalt, Aktivität und Wettbewerb. Dass Parteien wie die FDP oder die Piraten verschwinden, mag die Konkurrenz mit Genugtuung erfüllen, das Schrumpfen des Parteiensystems auf wenige große Player wie etwa in den USA kann aber niemandem wirklich gefallen.
Die AfD, ganz gleich wie man ihre Thesen und Themen finden mag, lockt Bürger in die Beschäftigung mit Politik zurück, zwingt die Konkurrenz aus dem GroKo-Nickerchen hin und wieder mal aufzuschrecken, sich auseinanderzusetzen, im Wettbewerb und lebendig zu bleiben. Bei allen drei zurückliegenden Landtagswahlen konnte die AfD sogar aus dem Nichtwählerlager größere Stimmenblöcke zurückgewinnen, was den Mitbewerbern mangels wirklich polarisierender Streitthemen schon lange nicht mehr gelingt. Im Gegenteil: Die knapp 42 Prozent, die Angela Merkel bei der letzten Bundestagswahl einfuhr, basieren auf etwa genauso vielen Absolut-Wählerstimmen als bei Kohls Abwahl im Jahr 1998.
Und noch einen Verdienst muss man der AfD, wenn sie denn weiterhin erfolgreich sein sollte, anrechnen: Da sie anders als etwa die Piraten, keine Sponti-Bewegung ist, befindet sie sich jetzt in der Phase, ihren Zustrom zu läutern. Das heißt, Irre und Radikale auszusondern – im Grunde ist es das harte und noch längst nicht gewonnene Geschäft einer politischen Neugründung. Die Rückeroberung und Urbarmachung von Polit-Interessierten. Ob das gelingt, ist noch lange nicht ausgemacht. Es dennoch immer wieder zu versuchen, gehört zu den ureigenen Überlebensreflexen unseres demokratischen Parteiensystems.
Deshalb muss man das AfD-Startup nicht gleich mögen und umarmen, aber ein wenig darüber freuen, dass GroKo-Deutschland noch nicht ganz dahindämmert, darf man sich schon.