Archive for the ‘Übrigens’ Category

„Fuck AC/DC“ – Plausch mit Lemmy Kilmister und Jim Beam

November 5, 2013

Da Lemmy Kilmister mit „Motörhead“ in diesem Jahr wohl nicht auf ein traditionelles Vorweihnachtskonzert nach Berlin kommt, hier noch einmal ein kleiner Kult-Plausch bei ein, zwei Flaschen Jim Beam, die das Abschreiben hinterher nicht leichter gemacht haben… Das Gespräch habe ich 2010 im Hotel „Berlin“ geführt.

 

Hi Lemmy, willkommen im kalten Berlin. Hast du dich gegen die Kälte, Grippe und all das gewappnet?

Lemmy Kilmister: Ich hatte schon eine Grippe auf der Insel zur Vorbereitung.

Eine britische Grippe zur Abwehr einer deutschen?

Kilmister: Wir Briten sind grundsätzlich auf  jedes Dreckwetter gefasst und vorbereitet. Und es gibt Medizin in großen Flaschen… (schwenkt eine halbleere Jim Beam-Flasche, deren erste Hälfte im Saftglas vor ihm steht und im Laufe der ersten Fragen verschwinden wird. Es gibt Nachschub).

Weißt du schon, wie du die in diesem Jahr Weihnachten feiern wirst?

Kilmister: Oh verdammt, ich werde wohl nach Vegas fahren, da gibt es mehr Spaß und vor allem können sie mir da keine Überraschungsparties schmeißen…

Am 24. Dezember feierst du deinen 65. Geburtstag – also keine Party mit Tannenbaum und Geburtstagstorte?

Kilmister: Weihnachten geht mir sowieso am Arsch vorbei. Ich habe mit Santa Claus nichts am Hut und mit Geschenken auch nicht.

Aber wenn dir jemand eine Flasche in der Socke über den Kamin hängt, wirst du sie doch nicht hängen lassen, oder?

Kilmister: Natürlich nicht. Ich werde 65 aber ich werde nicht blöd. Aber wenn du 65 wirst, wirst du vermutlich auch nicht mehr so genau drüber nachdenken, was du feierst. Hauptsache man feiert überhaupt noch. (Ein wenig „Medizin“ passt noch aus der Flasche zwischen die Eiswürfel im Glas.)

Feierst du allein?

Kilmister: Nein, da werden schon ein paar Kumpels sein. Nur nicht gerade von der Band. Die haben ihre eigenen Weihnachtstraditionen mit ihren Familien und so.

Wunderst du dich manchmal, dass du noch lebst?

Kilmister: Ich wundere mich schon, aber ich bin vor allem dankbar. Ich habe nicht viel dafür getan.

Du gehörst nicht gerade zu den Leuten, die einen Gesundheitsratgeber schreiben sollten…

Kilmister: Stimmt, aber ich habe auch nichts getan, um meinen Abgang zu beschleunigen. Ich habe nie Heroin genommen. Allen möglichen anderen Scheiß schon, aber keine Heroin. Die, die früh abgekratzt sind, haben es fast alle mit Heroin getrieben. Heroin ist das einzige, dass dich killt.

Bei Bon Scott (AC/DC), John Bonham (Led Zeppelin) oder Keith Moon (The Who) hat Wodka gereicht. Ist Boubon besser?

Kilmister: Keine Ahnung, bis jetzt hat er mich noch nicht umgebracht. Bis jetzt bin immer ich Sieger geblieben gegen die Flaschen… (lacht in einer Tonlage etwa so rostig dumpf wie sein Rickenbacker-Bass klingt).

Was denkst du ganz allgemein über 65-jährige Rockmusiker?

Kilmister: Ich kennen einen, der ziemlich in OK ist. Aber sonst… – manche sind Arschlöscher, andere nicht, aber das waren sie vermutlich mit 45 auch schon. Ich meine 65, das ist eine Zahl, aber es ist ja nicht alles, um einen Menschen zu beschreiben. Ein Rockmusiker ist einer, der Musik macht, das ist seine Währung, alles andere ist Bullshit.

Hast du das schon immer so gesehen?

Kilmister: Ich glaube schon. Ist zu lange her, sich daran zu erinnern. Überhaupt, wenn du anfängst, Musik zu machen, denkst du über gar nichts nach. Da willst du nur spielen und richtig Krawall machen.

Könntest du dir vorstellen, in einer Rock-Pensionärs-WG zu wohnen?

Kilmister: Ich will verdammt noch mal mit überhaupt niemandem in einer WG leben, das geht mir nach zwei Stunden auf den Senkel (Senkel hat er nicht gesagt, aber auf halbem Weg dahin war’s).

Lass uns über die neue Platte reden. Das Gitarren-Riff vom ersten Song „Born to loose“ klingt ein wenig nach „TNT“ von AC/DC, oder täusche ich mich da?

Kilmister: Ach was, im Rock ‚n’ Roll klingt alles immer wie irgendwas.

Was ist, wenn man AC/DC in hundert Jahren noch kennt und Motörhead vielleicht nicht mehr?

Kilmister: Das ist mir egal. Für mich gibt es nur Motörhead. In hundert Jahren sollen sie doch machen, was sie wollen. Fuck AC/DC. (lacht) Was hälst du von “Brotherhood of man”? Ist der Song nicht wie ein Orgasmus? Muss ich immer dran denken, wenn wir den spielen…

Tja also, ich hatte eher an einen schwarzen Atomeisbrecher gedacht, der sich knirschend durch die Arktis malmt…

Kilmister: Gut, so kann man es auch sehen. Eigentlich hatte ich mir diesen Riff nur ausgedacht, weil er gut zur Textzeile passte. Naja, Hauptsache, es haut rein.

Mit Frauen hast du es ja nie lange ausgehalten. Auf den legendären Album „Ace of spades“  vor dreißig Jahren hast du mit Blick auf Frauen gesungen, dass die Jagd besser sei als das Einfangen. Ist „Bye bye bitch bye bye“ (etwa: Mach’s gut Schlampe) jetzt die Fortsetzung zu diesem Thema?

Kilmister: Der Song ist lustig, wie? Ich mag ihn besonders. Aber es ist keine Fortsetzung. Das war nicht der Plan. Es geht einfach um eine Tussi, die dich schlecht behandelt anstatt dich zu lieben – bye, bye bitch! Wer denkt schon heute noch an Lieder von vor dreißig Jahren.

Weil wir gerade dabei sind: Was sind eigentlich die schlimmsten Unarten in Beziehungen, die du überhaupt nicht ausstehen kannst?

Kilmister: Furzen und Schnarchen. Früher oder später tun sie es alle.

Würdest du gern mal mit so einem jungen Pop-Star-Girl einen Song machen? Mit Lady Gaga, Shakira oder so jemand?

Kilmister: Die machen doch nur Klingeltöne. Mit Janet Jackson habe ich mal „Black Cat“ gemacht, das war mehr wie ein Rock-Song. Verdammt guter Riff. Mit Joan Jett und Skew Siskin habe ich auch mal was gemacht, aber das sind andere Hausnummern. Ich bin ja kein Pop-Fuzzy.

35 Jahre Motörhead, 30 Jahre „Ace of Spades“, 65 Jahre Lemmy – wie fühlt es sich an, eine Legende zu sein?

Kilmister: Fein, die meisten Leute sind freundlich zu mir.

Wie lange hat es gedauert, bis du die Gesetze dieses Geschäfts verstanden hast?

Kilmister: Dieses Geschäft hast du nie ganz verstanden. Irgendwas ist immer wieder neu. Du kannst froh sein, wenn es nicht mehr ganz so viele Bastards schaffen, dich um dein Geld zu bescheißen.

Welches war die härteste Lektion?

Kilmister: Was Journalisten für Bastards sein können.

Danke sehr.

Kilmister: Nein, ganz im ernst. Was die in all der Zeit für Scheiße über mich geschrieben haben! Das kannst du gar nicht glauben. Haben die irgendeinen Hass? Oder Probleme? Warum lügt einer einfach, dem ich gar nichts getan habe? Einer hat geschrieben, ich wäre bisexuell! Das ist doch völliger Schwachsinn. Gerüchte sind eine andere Sache, aber einfach Lügen, das ist doch krank. Manche schreiben Berichte über deine Konzerte, dass du denkst, du bist nicht dabei gewesen.

Vielen Dank für den dezenten Hinweis. Ich werde mir Mühe geben. Zum Schluss wollen wir mal ganz ehrlich sein: Du schreibst Songs, du schreibst die Texte, du produzierst Songs von anderen und bist nicht nur ein Sammler von NS-Devotionalien, sondern diskutierst auch über Details aus Joachim Fests Hitler-Biographie… Das trinkende Rocker-Raubein ist doch nur Show, oder? In Wahrheit bis du doch ein Intellektueller.

Kilmister: Ich bin kein Intellektueller. Ich kann mit ihnen diskutieren, aber ich scheiße drauf, einer zu sein. Und diesen komischen Rocker den macht doch auch ihr Typen aus mir. Ihr tut doch so, als würde ich ständig auf zwei Motorrädern gleichzeitig fahren – obwohl ich überhaupt kein Motorrad habe. Ein Girl mit zwei Arschbacken reicht mir völlig. (lacht)

 

GeTwitter-Warnung

Juni 10, 2012

„Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“ Ein Klassiker von Karl Kraus, der bis heute nicht an Gültigkeit verloren hat. Allenfalls eine kleine Aktualisierung ist nötig: „…man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken und dies dann allen mitteilen!“

Nun ist „Zwitschern“ (Twittern) zwar nett anzuhören, aber in der Vogelwelt auch nicht als Methode hochverdichteter Informationsübertragung gedacht. Im Gegenteil: konsequenter Sinn-Entzug macht Twittern erst zum wirklichen Vergnügen. Leider hat vor der Fußball-EM niemand eine GeTwitter-Warnung herausgegeben. Deshalb an dieser Stelle mal etwas Flüssig-Nahrung zurück (Liquid Feedback) an die bekloppte Netz-Gemeinde: Haltet vor der Fußball-Glotze einfach mal die Finger still!

Der alltägliche Twitter-Text-Durchfall im Hasenköttel-Format reicht völlig. Niemand braucht jetzt auch noch sinnlose „Tooooooooor!“-Tweets in der Timeline. Spart Euch dämliche Zwischenstände Eures Bierkonsums, Fußball-Binsen und peinliche Icons. Wenn das Hirn auf Standby ist, muss man nicht versuchen, via Smartphone den Rest der Welt zu synchronisieren. Niemand braucht wirre Jubel-Tweets, lustige Lautmalereien oder ahnungslose Prognosen. Wir anderen sehen auch Fußball! Oder nicht! In beiden Fällen verzichten wir gern auf Euren Twitter-Tinitus!

Und weil wir gerade mal dabei sind, liebe Netz-Gemeinde: Für Zwiegespräche kann man SMS oder Mails schicken und muss seine banal-Dialoge nicht an die Twitter-Litfassäule pinnen. Es sei denn, man hält sich für Albert Einstein und will die Welt daran teilhaben lassen. Twitter-Ökologie heißt: Hirn-Müll vermeiden bevor er entsteht! Einfach mal jeden zweiten Tweet weglassen. Löschen statt Sperren gilt übrigens auch für Politiker, die es für modern und zeitgemäß halten, per Twitter eine Art digitalen Arbeitszeitnachweis zu erstellen. „Fahre jetzt zum Feuerwehrfest nach Herne“ oder „Letzte Vorbereitungen für Haushaltsdebatte“ bitte dem Referenten erzählen, nicht dem Twitter-Server.

Oder rettet uns am Ende nur noch die Schutzgemeinschaft Hirn (Schuhi) vor der mentalen Abraumhalde, die manche da ins Netz schaufeln?!

Männer, Macht und Moral

Mai 29, 2011

Selbstbetrug ist der schönste Betrug, weil man die Welt damit immer ein wenig besser machen kann. Die eigene zumindest. Gut zwei Wochen ist die Verhaftung von IWF-Chef Dominique Strauß-Kahn (DSK) nun her; hat spielend die Erledigung des Falles Bin Laden aus den Schlagzeilen verdrängt und beschäftigt Talkshows und Kommentatoren bis heute. Vor allem eines treibt die Zunft der professionellen Denker und Erörterer um: die knisternde Allianz von männlicher Macht und Sex.

Dabei steht am Anfang stets die Verwunderung darüber, wie ein Mensch mit Niveau und Erfolg sich zu derartigen Übersprunghandlungen hinreißen lassen könne. Alles erreicht und alles zerstört mit einem triebhaften Aussetzer. In der zweiten Stufe gibt es die Erklärungsversuche, die – wie immer in solchen Fällen – dem Weltsicht-Schema des Autors folgen. „Männliche Dominanz“ ist so ein Standard-Topos, der im Meinungshauptstrom so nahe liegt, dass eigentlich misstrauisch werden müsste, wer immer sich danach bückt, um ihn publizistisch aufzuheben: Männer, zumal solche die es weit gebracht haben, betrachten die Welt inklusive ihrer Mitmenschen als als Werkzeugkasten mit unbeschränktem Zugriffsrecht. Außerdem werde Sex als Ausübungsform von Macht betrachtet und angewandt.

Das alles mündet dann – man ahnt es schon – in mehr oder minder deutlichem Votum für die Frauenquote. Schließlich sind Übergriffe leitender Frauen auf männliche Mitarbeiter kaum überliefert, ebensowenig wie Frauentagsausflüge mit reichlich Strippern oder Sex-Parties auf dem Landsitz von Margareth Thatcher.

Tatsächlich spricht nicht besonders viel für die Theorie der „reaktionären Männer“. Denn wer es an die Spitze schafft, tut dies meist gerade durch besonders raffiniertes Spielen auf der Klaviatur der gesellschaftlichen Regeln, während der Aufstiegs-Rambo schon auf den ersten Metern scheitert. Sex zur Demütigung der weiblichen Umgebung ist aus Bürgerkriegen bekannt, dürfte in westlichen Breiten aber rasch zu Ächtung und Ausschluss aus der Gemeinschaft führen.

Viel naheliegender ist eine andere, freilich weniger gut ins Stanzen-Portefeuille passende und nicht sehr angenehme Erklärung: Die gesellschaftlich plakatierte und idealisierte Sexualmoral passt auf breiter Front mit der realen Biologie der Triebe nicht zusammen. Zumindest ist der Firnis über dem gewollten Lieben und dem gelebten Leben doch deutlich dünner, als man sich das vielfach eingestehen möchte.

Indizien: Peter Hartz und die brasilianischen Bordellbesuche der VW-Gewerkschafter, der Fall Michel Friedman, Beckenbauer, Israels Präsident Moshe Katzav, Berlusconi, die Berliner Ausflüge des Horst Seehofer, Mehrfach-Ehen nach dem Schröder-Fischer-Modell, das Beziehungs-Karussell zahl-reicher Prominenter, die es sich leisten können, Partnerschaften durch frische Partner frisch zu halten… Degenerierte Eliten, könnte man einwenden. Mag sein, aber es ist eben auch ein Hinweis darauf, dass Männer, wo sie Gelegenheit dazu haben, eine Triebstruktur ausleben, die in den akzeptierten Vorstellungen niveauvoller Partnerschaft kaum vorkommt.

Und es sind nicht nur „die da oben“: Deutsche Hurenverbände (keine Schmähung, so nennen sie sich selbst) gehen von 1,2 bis zwei Millionen Besuchen bei Prostituierten täglich aus. Bei geschätzten vierzig Millionen deutschen Männern wären das bis zu fünf Prozent.

Und wer beim Hotelpersonal mal dezent nachfragt, kriegt ordentliche Einschaltquoten für die Pay-TV-Kanäle im einsamen Dienstreise-Zimmer zugeraunt. Wer treibt die Klickzahlen bei „Youporn“ & Co. in die Höhe und macht Unzufriedenheit im Liebesleben zum mehrheitlichen Hintergrund ständig steigender Scheidungsraten? Kurz: Während Werbung und Medien nüchtern auf die schlichte männliche Reizstruktur bauen und selbst das unappetitlichste Gesundheitsthema noch mit einer knackigen Nackten auf dem Spiegel-Stern-Focus-Titel bewerben, tun wir im gesellschaftlichen Leben so, als zündeten Männer beim Date die Kerze an, weil Lichtdesign ihr Lieblingshobby ist. Als sähen Männer extrem kurzen Röcken und tiefen Dekolletés hinterher, weil sie gern tiefe Gespräche führen wollen. Als funktionierten vermeintlich wohltemperierte Beziehungen nicht häufig nur wegen heimlicher Triebabfuhr – im harmlosesten Falle vor dem Bildschirm.

All das entschuldigt nichts und rechtfertigt auch niemanden. Es ist nur ein Hinweis darauf, dass man keine hochtrabenden Theorien drechseln und die nächste Stufe der gesellschaftlichen Revolution zünden muss, sondern dass Strauß-Kahn neben dem Millionär und IWF-Chef auch ein armseliger, kleiner, außer Selbstkontrolle geratener Mann ist, dem aller weltlicher Ruhm nicht weiterhilft, wenn das Kopfkino auf Porno schaltet. Wenn der IWF eine Frauenquote hätte, wäre DSK womöglich nicht Chef aber noch immer genauso rammelig.

PS: Und weil wir gerade bei Männern und Frauen und Selbstbetrug sind: Wann gibt eigentlich endlich mal jemand zu, dass Frauenfußball, nun ja, ähm, räusper – eine Spartensportart ist? Allen Versuchen, sie per TV und Marketing in den Markt zu drücken zum Trotz. Gerade sind übrigens 90 000 WM-Tickets aus dem internationalen Verkauf wieder an Deutschland zurückgegeben worden…

Sado-Maso-Publizistik

April 7, 2011

In einem sind sich die meisten Kommentatoren der jüngsten FDP-Revolte einig: Der neue Liberalen-Chef Philipp Rösler ist geschwächt, weil er sich das lukrativere Wirtschaftsministerium hätte greifen sollen, um von dort aus die Partei komfortabel zu repräsentieren. Statt dessen habe er nun nach wie vor das schwierige Gesundheitsressort mit seinen komplizierten, kleinteiligen Entscheidungen am Bein, in dem man so  recht die Sympathie der Menschen nicht gewinnen könne.

Nun ist Sado-Masochismus ja inzwischen eine anerkannte Spielart menschlicher Lust, aber dass sie sich seit geraumer Zeit auch in die politische Publizistik infiltriert, ist doch ein bemerkenswerter Befund. Im Klartext heißt der Rat an Rösler nichts anderes, als: Wir Wähler wollen professionell hinters Licht geführt werden. Da wäre mehr drin gewesen!

Botschaft: Rösler hätte den Mühen des realen politischen Tagesgeschäfts raffiniert aus dem Weg gehen und die weniger meritenträchtige Kärrnerarbeit im Gesundheitsministerium bei dieser Gelegenheit einem anderen liberalen Dämelack überhelfen sollen, um in den Augen des ohnehin doofen Publikums heller zu glänzen.

Nun wissen wir, dass Politik so funktioniert, und vermutlich hätte der lächelnde Viet-Niedersachse diesen Deal auch praktiziert, wenn er ihn intern denn durchbekommen hätte. Nur dass die politverstehenden Kommentar-Klassenbesten solche Ränke gar noch einfordern, ist denn doch ein wenig zu viel des Miesen. Wie wäre es, wenn man von Rösler gute, verständliche Gesundheitspolitik und liberale Strahlkraft erwarten und verlangen würde?! Wie wäre es, wenn man als medialer Sachwalter der einfachen Bürger nicht den ausgebufften und abgewichsten Politikberater mimen, sondern echtes politisches Talent fordern würde? Wie wäre es, wenn man politisches Schmierentheater entlarven und kritisieren würde, statt es zum Ideal zu erheben?

Blender, Trixer, Täuscher: Wir Guttenbergs

Februar 20, 2011

Ein paar „vergessene“ Fußnoten und vereinnahmte Zitate in akademischen Arbeiten, zu „Auslandssemestern“ aufgepustete Studienreisen, Praktika bei der Zeitung als „freier Journalismus“ – jeder kennt solche Kreativ-Lebensläufe und die meisten machen es genauso. Die „Enthüllungen“ über Karl Theodor zu Guttenberg gehen weiter, und sie offenbaren viel mehr als die kleinen Retouchen eines ehrgeizigen Menschen, der weiß, dass er gut ist und es auch zeigen will. Was hier unversehens ins Licht der Öffentlichkeit gerät, ist das flächendeckende Prinzip der Blender, Trixer und Täuscher, des schönen Scheins und der plastischen Vita-Chirurgie.

Vor allem die Ossis mussten nach der Wende lernen, ich zu sagen, wo eigentlich Gruppen am Werke waren. „Ich drehe gerade einen Spielfilm…“ – mit 200 Leute am Set. „In meiner Show…“ treten die Stars auf, und „Ich habe Ruhrstahl saniert…“ Das in der DDR verpönte „Ich“ trat auf einmal in der übersteigerten Selbstdarstellung der bundesdeutschen Konkurrenzgesellschaft ins graue Ostelbien und hielt nur in seltenen Fällen, was es zu sein versprach.

„Ich spreche Englisch“ ist die Standardwendung für Fremdsprachenkenntnisse, bei der ich noch heute zusammenzucke. Ich habe keine Probleme auf der Weltklima-Konferenz und kann die Taiwan-Frage international erörtern, und doch fehlen mir bei amerikanischen Sitcoms mitunter ganze Sätze. Spreche ich also Englisch? Wer mal Gitarre gelernt hat, nennt sich Gitarrist, und die Thematiken mancher Master-Arbeiten, die ich im Laufe der Zeit gesehen habe, degradieren den akademischen Betrieb zum Feuilleton mit Fußnoten.

Eigentlich müsste angesichts der Guttenberg-Enthüllungen beträchtliche Hektik ausbrechen im Lande: Web-Seiten mit Lebensläufen müssten diskret überarbeitet, Bewerbungsmappen stillschweigend redigiert und vermutlich müsste auch das Bundestagshandbuch rasch einer kritischen Sichtung unterzogen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass für die Aussicht auf schöne Scheine der schöne Schein ein wenig heruntergedimmt wird, ist allerdings nicht sehr groß. Vielleicht sollte nur die Herablassung gegenüber den Guttenbergs ein wenig gedämpfter ausfallen.

Ein Gutes hat die Affäre freilich: Ossis, die ehedem stets beklagten, ihre Biographien würden wegen „kleiner Jugendsünden“ wie etwa Bespitzelung und Anschwärzens entwertet, müssten jetzt zufrieden sein. Es gibt noch Gerechtigkeit im Lande – unter Wessis reichen schon unterschlagene Fußnoten, um von der großen Bühne zu stürzen.

Feminismus fatale

Januar 30, 2011

Feminismus ist Quatsch, Demokratie reicht völlig.

Gorch, Gregor und Alice in schwerer See

Januar 27, 2011

Mag sein, dass es bei der Bundesmarine Entbehrungen und Zumutungen gibt. Schlimmer, als Gregor Gysi und Alice Schwarzer über den inneren Zustand deutscher Truppen diskutieren sehen zu müssen, kann das aber nicht sein.

Wer kommt unter dem Einfluss welcher Drogen eigentlich auf die Idee, den Fraktionschef der Linkspartei als Wehrexperten zu Maybrit Illner einzuladen? Nicht den Bundeswehrverband, nicht die kritischen Offiziere des „Darmstädter Signals“ oder einen Wehrdienstverweigerer, der wenigstens noch weiß, was er sagt, sondern Gregor Gysi! Jenen Gregor Gysi, der heute den sofortigen Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan fordert, weil „Gewalt keine Konflikte löst“ und sich dabei schlitzohrig auf das schlimme Beispiel der Sowjetunion beruft – 30 Jahre nachdem dieses Statement mutig oder originell gewesen wäre.

Während man sich noch fragt, ob Gregor G. dereinst wohl mit „Schwerter zu Pflugscharen“ auf dem Shell-Parker beim Pfarrer Eppelmanns Blues Messen in der Berliner Friedenskirche war, geißelt derselbe die unmenschlichen Zustände in der Bundeswehr, die menschenverachtenden Rituale und rohen Vorgesetzten. Auch da hätte Gregor G. zu DDR-Zeiten reichlich Betätigung gehabt, wenn er sich in dieser Sache als Anwalt der NVA-Soldaten angenommen hätte, die bis aufs Blut kujoniert wurden und viel zu oft von den Dächern der Kasernenblocks sprangen. (In meinen 18 Monaten waren es im Wilhelm-Florin-Regiment in Rostock allein vier.) Der gute G. gehört freilich zu der Sorte Kämpfern, die den Kampfanzug erst anziehen, wenn der Krieg vorbei ist. Als es die DDR noch gab, um die er in der letzten Volkskammer-Sitzung 1990 so arg trauerte, hat er sich vor allem auf geschmeidiges „Gleiten im Gelände“ (milit. für Robben) und abtarnen konzentriert.

Und Alice Schwarzer kennt inzwischen auch die „Männerbünde“ und ihre Rituale von innerhalb der Kasernen, obwohl sie – wie die meisten Debattenredner und Kommentatoren – auch nie gedient hat. Die Auslandseinsätze verrohen die Soldaten, wissen sie und all die engagierten Einfühler, die „Deckschrubben“ für schlimme Schikane halten. Nur weil die „Gorch Fock“ es versäumt hat, eine externe Reinigungsfirma zu beauftragen. Obwohl also nicht ganz klar ist, was der Afghanistan-Einsatz mit dem sicheren Klettern in den Wanten eines Segelschiffs zu tun hat, werden „unsere Jungs und Mädels“ in Kunduz offensichtlich zu Killermaschinen, die dann vom Mast fallen.

All das erklärt allerdings nicht, warum Armeen ohne aktiven Einsatz wie etwa die NVA oder die Truppen des ehemaligen Ostblocks im normalen Kasernenbetrieb ihre Rekruten schliffen und misshandelten, dass die meisten von ihnen die Bundeswehr heute für einen khakifarbenen Ableger von Studiosus-Reisen halten würden. Trotzdem ist es auch Laien zuzumuten, mit Hilfe einfacher Logik nachzuvollziehen, dass eine Armee überhaupt nur einen Sinn hat, wenn sie in der Lage ist, mit geschlossenen Gruppen gemeinsam Einsätze in Extremsituationen zu absolvieren. Man kann dies grundsätzlich ablehnen oder nicht. Aber wenn die Meldung „Ich kann nicht mehr“ ausreicht, um eine Übung abzubrechen, geht bei Beschuss oder Gegenwehr eines Gefangenen jeder nach Hause.

Kleiner Trost

Januar 4, 2011

Man ist meistens nicht so gut, wie man es wünscht. Aber man ist auch nie so schlecht, wie man es fürchtet.

Auch ein Blog zieht mal Bilanz

Januar 4, 2011

 

Healthy blog!

The Blog-Health-o-Meter™ reads Wow.

Crunchy numbers

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The average container ship can carry about 4,500 containers. This blog was viewed about 18,000 times in 2010. If each view were a shipping container, your blog would have filled about 4 fully loaded ships.

In 2010, there were 78 new posts, growing the total archive of this blog to 110 posts.

The busiest day of the year was November 22nd with 1,257 views. The most popular post that day was Die Deutschen sind sich nicht grün.

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Attractions in 2010

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1

Die Deutschen sind sich nicht grün November 2010
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2

Christian Wulff und das Elend der deutschen Konservativen October 2010
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3

Immer muss man alles selbst machen! Heute: den Islam reformieren January 2010
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4

Wulffs wunder Punkt October 2010
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5

Fieses Frauen-Fernsehen September 2010
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Aufatmen

Dezember 26, 2010

Als der Chef des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, mit Arbeitskampf für höhere Löhne im Öffentlichen Dienst drohte, bekam ich es mit der Angst zu tun. Dann fügte er hinzu: „zum Beispiel beim Winterdienst“.

 Da war ich wieder beruhigt. Es bleibt alles wie es ist.