Gorch, Gregor und Alice in schwerer See

Mag sein, dass es bei der Bundesmarine Entbehrungen und Zumutungen gibt. Schlimmer, als Gregor Gysi und Alice Schwarzer über den inneren Zustand deutscher Truppen diskutieren sehen zu müssen, kann das aber nicht sein.

Wer kommt unter dem Einfluss welcher Drogen eigentlich auf die Idee, den Fraktionschef der Linkspartei als Wehrexperten zu Maybrit Illner einzuladen? Nicht den Bundeswehrverband, nicht die kritischen Offiziere des „Darmstädter Signals“ oder einen Wehrdienstverweigerer, der wenigstens noch weiß, was er sagt, sondern Gregor Gysi! Jenen Gregor Gysi, der heute den sofortigen Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan fordert, weil „Gewalt keine Konflikte löst“ und sich dabei schlitzohrig auf das schlimme Beispiel der Sowjetunion beruft – 30 Jahre nachdem dieses Statement mutig oder originell gewesen wäre.

Während man sich noch fragt, ob Gregor G. dereinst wohl mit „Schwerter zu Pflugscharen“ auf dem Shell-Parker beim Pfarrer Eppelmanns Blues Messen in der Berliner Friedenskirche war, geißelt derselbe die unmenschlichen Zustände in der Bundeswehr, die menschenverachtenden Rituale und rohen Vorgesetzten. Auch da hätte Gregor G. zu DDR-Zeiten reichlich Betätigung gehabt, wenn er sich in dieser Sache als Anwalt der NVA-Soldaten angenommen hätte, die bis aufs Blut kujoniert wurden und viel zu oft von den Dächern der Kasernenblocks sprangen. (In meinen 18 Monaten waren es im Wilhelm-Florin-Regiment in Rostock allein vier.) Der gute G. gehört freilich zu der Sorte Kämpfern, die den Kampfanzug erst anziehen, wenn der Krieg vorbei ist. Als es die DDR noch gab, um die er in der letzten Volkskammer-Sitzung 1990 so arg trauerte, hat er sich vor allem auf geschmeidiges „Gleiten im Gelände“ (milit. für Robben) und abtarnen konzentriert.

Und Alice Schwarzer kennt inzwischen auch die „Männerbünde“ und ihre Rituale von innerhalb der Kasernen, obwohl sie – wie die meisten Debattenredner und Kommentatoren – auch nie gedient hat. Die Auslandseinsätze verrohen die Soldaten, wissen sie und all die engagierten Einfühler, die „Deckschrubben“ für schlimme Schikane halten. Nur weil die „Gorch Fock“ es versäumt hat, eine externe Reinigungsfirma zu beauftragen. Obwohl also nicht ganz klar ist, was der Afghanistan-Einsatz mit dem sicheren Klettern in den Wanten eines Segelschiffs zu tun hat, werden „unsere Jungs und Mädels“ in Kunduz offensichtlich zu Killermaschinen, die dann vom Mast fallen.

All das erklärt allerdings nicht, warum Armeen ohne aktiven Einsatz wie etwa die NVA oder die Truppen des ehemaligen Ostblocks im normalen Kasernenbetrieb ihre Rekruten schliffen und misshandelten, dass die meisten von ihnen die Bundeswehr heute für einen khakifarbenen Ableger von Studiosus-Reisen halten würden. Trotzdem ist es auch Laien zuzumuten, mit Hilfe einfacher Logik nachzuvollziehen, dass eine Armee überhaupt nur einen Sinn hat, wenn sie in der Lage ist, mit geschlossenen Gruppen gemeinsam Einsätze in Extremsituationen zu absolvieren. Man kann dies grundsätzlich ablehnen oder nicht. Aber wenn die Meldung „Ich kann nicht mehr“ ausreicht, um eine Übung abzubrechen, geht bei Beschuss oder Gegenwehr eines Gefangenen jeder nach Hause.

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25 Antworten to “Gorch, Gregor und Alice in schwerer See”

  1. sweetkoffie Says:

    diese Frage hatte ich mir gestern auch gestellt 🙂

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  2. kit_fisto Says:

    Deswegen gucke ich Breimit Illner nicht mehr, es ist billiger Provokations-Journalismus, warum werden wohl immer wieder dieselben üblichen Verdächtigen eingeladen um ihre Sülze zu verbreiten? Um zu provozieren, um Einschaltquote zu provozieren.

    Provokation! Da läuft er, der pöse Provokateur, haltet den Dieb!

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  3. artexkom Says:

    Gibt es eigentlich Gesellschafts-/Lebensbereiche, die Frau Schwarzer nicht mit ihrem Wissen bzw. ihrer Erfahrung bereichern kann? Hat sie nicht bereits alles schon mal gesagt – nur in anderen Zusammenhängen, zu anderen Problemen, auf anderen Sendeplätzen?

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  4. Karl Eduard Says:

    Gregor ist natürlich der richtige Ansprechpartner, denn nur die Avantgarde, die Partei der Arbeiterklasse, DIE LINKE, vertritt die Interessen der Proletarier, Bauern und Mittellosen, die der Imperialismus in den grauen Waffenrock gesteckt hat, um ihm Rohstoffquellen und Absatzmärkte mittels imperialistischer Raubkriege zu erschließen. Ist bei Ihnen denn gar nicht von den Politschulungen hängengeblieben, Genosse?

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    • ralfschuler Says:

      Da es bei mir schon am „Genossen“ hapert, habe ich in der Tat nicht so schnell geschaltet. So gesehen haben Sie natürlich recht, und es wird Zeit, dass die Gorch Fock die Spree hochsegelt, die Kanonenluken hochzieht und die entscheidenden Schüsse auf Kanzler-Palais abfeuert. Dann wird es heißen: Im Luxemburg-Haus ist noch Licht – Lenin, Pardon, Gysi arbeitet noch…

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      • Karl Eduard Says:

        Das ist richtig, natürlich müssen erst einmal die Matrosen die Rote Fahne auf der Gorch Fock hissen, die Offiziere ins Kabelgatt sperren und das Ruder übernehmen. Allerdings steht zu befürchten, daß sie durch Alkohol und Weiber (Offiziersanwärterinnen) völlig korrumpiert worden sind, so daß sich der Genosse Gysi zuerst auf das Schulschiff einschleichen sollte, um sozialistische Erziehungsarbeit zu leisten, vielleicht als Herr Wallraff verkleidet, dem Meister der Tarnung?

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  5. Durchschauer Says:

    brauchst du aber lang, um mitzuteilen, daß du die augen vor der realität schlicht verschließt

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    • ralfschuler Says:

      Weil ich kein „Durchschaur“ bin, würde ich mich da über ein paar Stichpunkte oder Sachargumente freuen. Drill und Kujonierung redet ja nun niemand das Wort – da ich das selbst durchhabe, weiß ich, wovon ich rede. Was ist denn Ihrer Meinung nach die Realität?

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  6. artexkom Says:

    Frei nach Herbert Wehner „Ich bin nicht nachtragend – aber ich vergesse nichts …“: war es nicht auch ein Herr G. aus der Fraktion der L., der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir einen Herrn W. als BP haben? Allein für diese Weitsicht hätte Herr G. schon mehrere Jahre Medienabstinenz verdient – wenn da nicht sein Unterhaltungswert wäre.

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  7. Durchschauer Says:

    schuler:

    was fragst du da mich? hörst du oder schaust du keine nachrichten?

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    • ralfschuler Says:

      Da ich in einer Redaktion arbeite, habe täglich eine Nachrichtenlücke zwischen etwa 23 und 5.30 Uhr, ansonsten ist das mein Job. Das meiste was ich lese, sehe und höre, ist nicht sehr aussagekräftig. Da ich viele Kollegen in den Redaktionen kenne, weiß ich auch, dass es kaum irgendwo einen Journalisten gibt, der selbst bei der Truppe war. Nun ist das keine Voraussetzung für Sachkenntnis, nur eben auch keine gute Basis für Kommentare, die zwischen notwendiger Ausbildung und Missbrauch unterscheiden sollen. Man kann Militär ablehnen oder Segelschulschiffe für sinnlos halten, für die Beurteilung der Zustände in der Truppe hilft das genausowenig, wie die Bilder von der Äquatortaufe in der Zeitung.

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  8. sporti1304 Says:

    Die gesamte Debatte um die „GF“ ist ein wenig seltsam, denn anstatt Experten werden Politiker befragt, die keine Ahnung haben worüber sie sprechen, dasselbe gilt für die meisten Journalisten:
    Sie überreizen die Fakten und wissen anscheindend nicht wovon sie reden, denn die meisten Dinge die dort angeprangert werden, sind in Seglerkreisen bekannte Tatsachen!
    Dann ausgerechnet Alice Schwarzer dazu befragen ist eher eine Art Realsatire als journalistische Spitzsinnigkeit!

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  9. max Says:

    Mir haben in dieser Runde Klaus Peymann und Lukas Podolsky gefehlt. Ich glaube dann wäre der gesammelte Sachverstand anwesend gewesen.

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  10. Durchschauer Says:

    schuler

    du weißt aber offenbar jetzt schon, wie alles war und brauchst die untersuchung gar nicht abwarten

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    • ralfschuler Says:

      Nein, das habe ich nicht behauptet. Ich mag nur keine falsche Betroffenheit, und vor allem mag ich keine Leute, die ihr partei- und sonstwie-taktisches Süppchen auf solchen Dingen kochen. Gysi hat zum Thema nun wirklich gar nichts Substanzielles beizutragen und lediglich eine Einladung bekommen, wohlfeile Betroffenheit abzusondern. Dass Schwarzer ihre Feminismus-Thesen auf jeden Schleimpilz dieser Welt anwenden kann, wussten wir auch schon vorher. Die entscheidende Frage lautet doch: Wieviel Härte muss in der Ausbildung sein? Wo beginnt sinnloser, destruktiver Drill? Braucht man Segelschulschiffe? Hat die Zivilgesellschaft, die sich allem Militärischen immer mehr in jeder Hinsicht verweigert, überhaupt ein einigermaßen realistisches Verständnis von dem, was in der Bundeswehr geschieht? – alles Fragen, denen man seriös hätte nachgehen können, wenn man die richtigen Leute eingeladen hätte.

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  11. Matt Says:

    Ein Land in dem Polizei als „Konfliktberatungsteam“ mit vermummten Demonstanten diskutiert sollte auch bei der Bundeswehr endlich ein wenig sozialer werden.
    Das eine Armee fuer Extremsituationen ausbildet, kann man in den Redaktionsstuben und im Fernsehen schon mal vergessen, da ist es wichtiger, betroffen zu sein. Ich lebe ausserhalb Deutschlands – ist mal wieder eine gute Geschichte, die hier fuer Gelaechter sorgt. Vielen Dank.

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  12. VolkerStramm Says:

    Wozu Untersuchung, Durchschauer?
    Wir wissen doch schon jetzt, wie schlimm das alles ist, bei der Bundeswehr allgemein und der GF besonders.
    Deshalb sollten unbedingt Durchschauer wie Du an die Macht. Dann wird alles (keiner weiß wie) viel besser.

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  13. max Says:

    Lieber Herr Schuler, ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass sich hinter Nicks wie Nachdenklicher, die Wahrheit, Durchschauer etc. immer die grössten Pfeiffen verbergen?

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    • ralfschuler Says:

      Nun ja, nomen sind zuweilen auch im Netz omen. Aber Debatten-Beiträge ohne jedes Argument machen die Debatte schon etwas schwierig. Sie sind allerdings insofern symptomatisch, als man in vielen Bereichen des täglichen Lebens nicht hinterfragte Milieu-Übereinkünfte antrifft. Dann wird es für mich schon wieder produktiv, weil mit die Provokation solcher diffusen Meinungscastelle reizt. Ein zugegebenermaßen eher sinnloses Hobby…

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  14. Durchschauer Says:

    schuler

    “ Ich mag nur keine falsche Betroffenheit, und vor allem mag ich keine Leute, die ihr partei- und sonstwie-taktisches Süppchen auf solchen Dingen kochen“

    das kann man umdrehen: „ich mag keine leute, die ihr militaristisches Süppchen auf solchen Dingen kochen“. daß es in geschlosssenen, man kann auch sagen, totalitären institutionen, immmer wieder zu gewaltexzessen kommt, ist beim besten willen nichts neues. darüber gibt es mittlerweile wissenschaftliche literatur. daß es bereits tote gibt, hält dich offensichtlich immer noch nicht davon ab, die frage zu stellen, wieviel härte in der ausbildung sein muß. offensichtlich können auch tote mit dabei sein

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    • ralfschuler Says:

      Also bitte, dass ist doch Quatsch. Wer rechtfertigt denn hier Tote? Wenn es ein Unfall war, ist es bedauerlich, wenn es Schikane war, eine Straftat. Das stellt doch niemand in Abrede. Ich habe in der Grundausbildung den vollen Drill durch, und weiß, wovon ich rede. Dass ich meinen Laster in Normzeit einbuddeln und Abtarnen muss, dass ich nachts auch dann im Gelände überleben muss, wenn es „frisch“ ist – solche Dinge sind einsehbar, weil sie im Falle des Einsatzes nicht nur das Überleben der gesamten Truppe, sondern auch mein eigenes sichern. Dass ich den Laster bei Minusgraden auf der Waschrampe waschen muss, bis er glänzt wie ein „…-Ei“, während mir die Extremitäten abfrieren, ist Schikane und Unsinn, weil das Wasser am Gerät gefriert. Wer bei ersteren Beispielen an seine Grenzen stößt, sollte trainieren, bei schikanösen Ritualen schadet sich die Truppe selbst, weil es die Moral zersetzt. Deckschrubben, um ein anderes Beispiel zu nehmen, gehört zum Alltag wie das Reinigen der Außenreviere in der Kaserne. Auch da gibt es Abstufungen zwischen Irrsinn und Sinnvoll, aber ohne solche Dinge versifft der ganze Laden. Das Schöne ist doch inzwischen, dass man sich aussuchen kann, ob man da mitmachen will oder nicht. In meinem Fall war es nicht wirklich empfehlenswert, sich die Alternative auszusuchen (obwohl ich es hätte trotzdem tun sollen).

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  15. Durchschauer Says:

    schuler

    „Aber Debatten-Beiträge ohne jedes Argument machen die Debatte schon etwas schwierig.“

    sorry, ich habe hier geschrieben, weil du offenbar jetzt schon weißt, was dort gelaufen ist. und wenn die untersuchungergebnisse exzesse nachweisen, kann man die grenze dessen, wie viel härte in der ausbildung sein muß, ja immer noch rausschieben

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  16. Durchschauer Says:

    stramm:

    „Wozu Untersuchung, Durchschauer?
    Wir wissen doch schon jetzt, wie schlimm das alles ist, bei der Bundeswehr allgemein und der GF besonders.
    Deshalb sollten unbedingt Durchschauer wie Du an die Macht. Dann wird alles (keiner weiß wie) viel besser.“

    nicht jeder ist masochist. und wie sagt schuler: nomen est omen

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  17. Payrebrune Says:

    Einfach wieder köstlich der Kommentar zur „Expertenrunde“. Schade eigentlich, daß Alice und Gregor nicht im Dschungelcamp auftreten, da könnten sie nach Herzenslust ihre Mit-Camper beglücken wie auch 4 Millionen Zuschauer, deren Anspruchsniveau mit Würmern und Hodenmus befriedigt werden kann.
    Wir leben in einem tollen Land (Tollhaus?), richtig schön!
    Und wenn dann der imaginäre Feind kommt, wird’s Gregor schon richten und Alice pariert den Angriff, indem sie die Kanonen mit Tampons füllt, was vor allem Muselmänner restlos verstört, die sich ja auch in Armeen befinden sollen. Vielleicht trifft aber auch die Militärgeistliche der Schlag, da die ja nicht wissen dürfen, was auf sie zufliegt.
    Henry

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  18. Durchschauer Says:

    nun warten wir erst einmal ab, was die untersuchung bringt und dann reden wir weiter

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