Der Friederich, der Friederich – das ist kein arger Wüterich

Der Protest kam wie erwartet, und er kam hart: Die Kanzlerin solle ihren neuen Innenminister zurückpfeifen und ein Machtwort sprechen, fordert Ali Kizilkaya vom Deutschen Islamrat. Und Kenan Kolat, Chef der Türkischen Gemeinde in Deutschland, findet noch stärkere Worte: Wenn Hans-Peter Friedrich (CSU) Streit wolle, könne er ihn haben, sagte er der BILD-Zeitung. Bei der nächsten Sitzung der Islamkonferenz Ende März wird es wohl heftig krachen.

Was war geschehen? Friedrich, bis Donnerstag noch CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, hatte kurz nach seiner Ernennung zum Innenminister wiederholt, was er schon vorher gesagt hatte. Er teile die Aussage von Bundespräsident Christian Wulff nicht, wonach der Islam zu Deutschland gehöre. Dafür gebe es auch keine historischen Belege. Der Sturm der Entrüstung von Seiten der islamischen Verbände und der Opposition brach sich also Bahn.

Dabei scheint niemandem aufgefallen zu sein, dass die Situation noch viel absurder und despektierlicher wäre, wenn Friedrich im Amte seine Meinung plötzlich geändert hätte. Amtsträger sagen höfliche Worte fürs Protokoll, an die sie als Politiker nicht glauben, wäre die Botschaft gewesen. Wären die Islam-Verbände mit so einem Spruch etwa zufrieden?

Im Leitartikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung greift Georg Paul Hefty die Causa Friedrich auf und findet ein schönes und durchaus passendes Bild für das Verhältnis des Islam zu Deutschland. Er stimmt Friedrich in der historischen Perspektive zu und widerspricht ihm mit Blick auf die Zukunft. Es verhalte sich hier wie mit den Partnern der eigenen Kinder, die nicht fehlen, solange die Kinder nicht liiert und Verheiratet sind. Dann jedoch gehören die ehemals Fremden selbstverständlich zur Familie und würden bei Abwesenheit fehlen.

Ein interessanter Vergleich, der freilich auch in eine ganz andere Richtung weist: Durch eingeheiratete Partner verwandelt sich die Familie auch den Neuen an. Die nachfolgenden Kinder wachsen mit den Wertewelten der hinzugekommenen Partner auf, akzeptieren den Verwandschaftsstrang beider Eltern ganz selbstverständlich gleichwertig und verschieben durch diese Fusion die geistige Spur ihrer Herkommenschaft unmerklich aus der Bahn ihrer Vorväter.

Selbstverständlich und unbestritten gehören die Muslime zu Deutschland, da Wulff aber den Islam als Teil der hiesigen Wertewelt genannt hat, läuft es auf die Hefty-Metapher hinaus: Der Islam wird zu Deutschland gehören, wenn Deutschland islamischer geworden ist. Und damit sind nicht tote Bauwerke wie Moscheen gemeint, sondern eine weniger säkuläre Gesellschaft, eine, deren Rechtsverständnis sich in Akzenten wieder der Strafarchaik nähert, Resozialisierung oder Gnade skeptischer sieht und dem Regeln erfüllenden Dienst an der Gemeinschaft hier und da mehr Gewicht beimisst, als dem Individuum und seiner freien Entfaltung. Man kann das wünschen oder fürchten. Es wäre ein Prozess, der jenem der deutschen Einigung ähneln könnte. Die Vorhersagen, die Bundesrepublik werde östlicher und protestantischer werden, haben sich ja durchaus erfüllt. Nicht nur im Politikstil der Kanzlerin und in der Marginalisierung des konservativen Flügels der Union.

In diesem Sinne ist die Ansange des neuen Innenministers eine Ankündigung, die Muslime in Deutschland willkommen zu heißen, aber das Land nicht mit dem Islam „verheiraten“ zu wollen. Es ist das Selbstverständnis eines souveränen Gastgebers, der nicht im Wulff’schen Duktus alles mit allem liieren will: Den Islam mit Deutschland, das Christentum mit der Türkei und den Buddhismus mit der ganzen Welt. Friedrich ist der Realist, der akzeptiert, dass die Hagia Sophia eine Moschee ist. Und die Muslime, die darin beten, müssen nicht das Christentum adoptieren, dass 1500 Jahre dort seine Wurzeln geschlagen hatte. Es wäre schon genug, wenn sie die Christen im Lande nicht diskriminieren würden.

Wulffs harmoniesehnsüchtige Wunsch-Worte vertrauen nicht darauf, dass man auch mit Unterschieden fröhlich und friedlich leben kann. Sie liegen auf einer Linie mit all jenen, die die Türkei in die EU aufnehmen wollen, damit sie westlicher, europäischer werde. Das aber ist, um im Familienbilde zu bleiben, schlicht die falsche Reihenfolge: Man heiratet schließlich, weil eine Seelenverwandtschaft da ist, nicht, um sie herbeizuführen. Das ist eher das anatolische Modell.

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4 Antworten to “Der Friederich, der Friederich – das ist kein arger Wüterich”

  1. uniquolol Says:

    Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, reflexhaft wurde die – leider oft erfolgreiche – Schuldgefühl-Maschinerie angeworfen…

    „…Lamya Kaddor, Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes, sprach von einer „Ohrfeige ins Gesicht der Muslime“…“

    SPON – „Islam-Kontroverse um Innenminister“
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,749255,00.html

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  2. Krischan Piepengruen Says:

    Lamya Kaddor, Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes, spricht also von einer „Ohrfeige ins Gesicht der Muslime“.

    Na bitte – „Touché!“

    PS
    Frau Kaddor, falls Sie hier zufällig mitlesen sollten: Sind Sie mit jener Frau Kaddor verwandt, verschwistert oder verschwägert – oder sind Sie’s gar selbst? -, die vom Gadaffi damals diese 20.000 Euro an der Universität Münster angenommen hat? Sozusagen als Anschubfinanzierung für die islamische Sache in Deutschland?

    Frau Kaddor?
    Hallo?
    Bitte melden!

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  3. Moderater Fundamentalist Says:

    Muslime gehören zu Deutschland. Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Ganz einfach.

    Unterschied Islam und Islamismus? Islamismus ist, wenn einer zu viel Islam abbekommen hat. Es ist eine Ideologie des Hasses, der Intoleranz und der Ungleichbehandlung, wenn man sie denn zu Hundert Prozent lebt und verinnerlicht hat.
    Frau Kaddor führt einen aussichtslosen Kampf für einen liberalen Islam, der keiner mehr wäre. Es wäre keine Reformation, sondern eine Revolution/ Modifikation. Eine Reformation, also eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Lehre des Islam, fand längst statt und geschah im 18ten Jahrhundert: Wahhabismus, auch Salafismus genannt. Überraschend? Nur für chronische Islam-Falschversteher.

    Die Mehrheit der deutschen Muslime folgt nicht dem Islam, er ist ihnen eher ein Etikett, dass untrennbar zur Familienehre, zum Selbstverständnis gehört, ohne dass sie genaues darüber wissen, es hinterfragen oder sich an alle Gebote halten würden. Unsere nicht-muslimischen Politiker und Journalisten haben diese Ideologie nicht verstanden, sie kennen zu wenig darüber, nehmen salopp an, dass der Islam im Kern ähnlich den anderen Weltreligionen sei. Aufgrund dieser gefährlichen Fehlannahme tragen sie zu der Islamisierung deutscher Muslime bei – denn sie wissen nicht was sie tun – und alles aus falsch verstandener „Toleranz“, „Religionsfreiheit“, „Integrationsbemühungen“ und „Kultursensibilität“.

    Anstatt Islam-Unterricht einzuführen, sollten alle Schüler aller Glaubensrichtungen, aller Kulturen EINEN Werte- und Normen-Unterricht erhalten, und nach den Werten der Aufklärung, der Universellen Menschenrechte, nach der Formel der Goldenen Regel, des Kategorischen Imperativ geschult und erzogen werden.

    Unsere Gesellschafts-Führer arbeiten ohne es zu wissen an der Spaltung der Gesellschaft, an der Zerstörung des Gesellschaftlichen Friedens, aber sie meinen es natürlich nur gut…

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  4. uniquolol Says:

    „…Die Reaktionen auf den Innenminister dagegen verlassen sich auf das vertraute Gemisch aus lautstarker Empörung und politischer Erpressung, statt zur Sache zu reden. Und das ist der wahre Skandal…“

    SPON – Matthias Matussek – „Warum der Minister recht hat“
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,749307,00.html#ref=top

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