Thilo und die Sarrazinen – Eine Bilanz

Manchmal ist es hilfreich, die Gedanken ein wenig zu ordnen. Niemand hat 2010 in Deutschland so polarisiert, hat Öffentlichkeit, Politik und Medienmenschen in so unversöhnliche Lager gespalten wie Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“. Der Ex-Senator und inzwischen Ex-Banker hat das gute Gretchen bei der Frage endlich abgelöst: Wie hälst du’s mit dem Sarrazin? – ist für die gesellschaftspolitische Standortbestimmung, was die Beringung für den Vogelfreund ist. Was aber hat einen ehedem als rationalen Denker bekannten Politiker in die Lage gebracht, den einen als schändlicher Hetzer und den anderen als unkonventioneller Integrationsmessias zu erscheinen. Eine Analyse.

Integration: Sarrazin hat mit Hilfe verfügbarer, amtlicher und im Grunde bis heute nicht angezweifelter Statistiken (Spracherwerb, Arbeitsmarkt, Schulbildung und –Abschlüsse, Sozialtransfers etc.) dargestellt, dass die Integration von Muslimen innerhalb der deutschen Gesellschaft große Probleme bereitet. Dies zu widerlegen, hätte es lediglich anderer Statistiken oder Untersuchungen bedurft, die einen höheren Prozentsatz gut integrierter Muslime ausweisen oder zumindest eine hoffnungsvollere Prognose stellen. Statt dessen wurden immer wieder Einzelbeispiele gelungener Einfindung in hiesige Verhältnisse präsentiert, was aber der logischen Beweisführung im Sinne einer Widerlegung nicht wirklich dient, so erfreulich jede Erfolgsvita auch sein mag. Ein vierblättriges Kleeblatt widerlegt nicht die Mehrheit der Dreier.

Abgelehnt wurde Sarrazins Analyse offen oder unterschwellig vor allem, weil gerade großstädtische Intellektuellen-Milieus sich dagegen verwahren, einer konkreten gesellschaftlichen Gruppe ein schlechtes Zeugnis auszustellen. In einer konsensorientierten Gesellschaft, die etwa in Zeugnissen eine Pflicht zum positiven Urteil vorschreibt oder pädagogische Grenzziehungen stets durch positive Anreize, nie durch harte Konfrontation geben will, kann das nicht erstaunen. Die hermetische Unantastbarkeit des gefühlten Weltbildes durch Fakten war am Ende das wirklich Erstaunliche am Casus Sarrazin. Nicht einmal der investigative Eifer zur Widerlegung des Anstößigen durch Fakten, der bei anderen Gelegenheiten ein verlässlicher Medien-Reflex ist, wurde hier geweckt.

Vererbung von Intelligenz: Die Koppelung beider Themen machte die Abschiebung des Autors Sarrazin ins nazinahe Eugeniker-Ghetto besonders leicht. Bei näherem Hinsehen sind die Fakten freilich weit weniger skandalös. Sarrazin beschreibt – mit Rückendeckung der jeweiligen Forschungsgrößen auf diesem Gebiet – dass fünfzig bis achtzig Prozent der Intelligenz auf Vererbung beruhen. Das sollte nicht weiter verblüffen, wenn man in den vergangenen Jahren verfolgt hat, wie etwa bestimmte Veranlagungen von Händigkeit, Lese-Rechtschreibschwäche (prominentes Beispiel ist das schwedische Königshaus), Neigung zu Krebsleiden etc. durch genetische Prägungen wissenschaftlich nachgewiesen wurden. Dennoch ist Intelligenz mehr als die programmierte Vernetzungspotenz der Neuronen und wird maßgeblich auch vom Milieu geprägt, in dem sich das Aufwachsen vollzieht. Von intellektuellen Anregungen, Förderung und anderem.

Deutschland schafft sich ab: Wenn sich also Soziotope bilden, in denen wegen mangelnden sozialen und integrativen Erfolgs, auch derjenige Teil der Nachkommenschaft mit den Anlagen zu hoher Intelligenz nicht genug Stimulanz und Futter fürs Hirn bekommt, dann ist eine Niveauregulierung unterhalb der Möglichkeiten sehr wohl nachvollziehbar. Allerdings auch in Milieus ohne Migrationshintergrund. Und genau das beschreibt Sarrazin im ersten Teil des Buches auf mehr als einhundert Seiten. Das dramatische Untergangsszenario im Titel wird eben nicht einfach fremdenfeindlich an den Migranten hergeleitet, sondern aus einer fehlgeleiteten Sozialpolitik insgesamt begründet.

Sozialpolitik: Das hätte Sarrazins ausschlusswilligen Genossen der eigentliche Sprengstoff des Buches sein müssen: In seinen Augen muss das Fordern deutlich über das Fördern gestellt werden. Seine ebenfalls nicht sonderlich skandalöse, wohl aber unpopuläre These: Versorgung macht träge, das Packen der Betroffenen am Existenziellen setzt in Bewegung. Hier dürfte in der Tat ein fundamentaler Widerspruch zum sozialpolitischen Verständnis der SPD vorliegen.

Der Katalog der Gegenmaßnahmen: Bei seinen Vorschlägen ist Sarrazin viel radikaler und dann doch durchaus auch „linker“ als viele seiner Parteifreunde. Wenn man ihm etwas zum Vorwurf machen will, gibt die Liste der verpflichtenden Maßnahmen für Bildungsferne (Ganztagsschule, Hort, konditionierte Kindergeldkürzung etc.) für Freunde elterlicher Erziehungshoheit viel mehr her als der Rest des Buches. Im Grunde findet hier – von Einzelmaßnahmen einmal abgesehen – der Schulterschluss mit Sarrazin-Großkritikern wie etwa Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) statt, der immer wieder gern staatliche „Schicksalskorrektur“ für Unterschichtler und erfolglose Migranten fordert. Genau das schlägt Sarrazin mit der ihm eigenen Brachialität vor, nur merken es die lektüreverweigernden Kritiker halt nicht.

Die Politik: Thilo Sarrazin 2010 – gut, dass wir drüber geredet haben. Und jetzt weiter wie bisher.

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14 Antworten to “Thilo und die Sarrazinen – Eine Bilanz”

  1. Zivilistationscourage Says:

    So scheint es: Weiter wie bisher.

    Dennoch: Sarrazin hat aufgezeigt, dass selbst des Rechtsextremismus völlig unverdächteige, normale Bürger nicht mehr mit dem Beschwichtigungs-Ansatz der derzeitigien „Sptitzen“-Politiiker einverstanden sind.

    Ich bleibe dabei: Danke Thilo!

    Die hohle Ablenkung „Herbst der Entscheidungen“ hat nochmal funktioniert, lange aber werden sich die Bürger diese Symbol- und Verschiebungspolitik nicht mehr gefallen lassen.

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  2. talkletts Says:

    Kapitalismus pur. Alles was mit dem Buch, dem Typen zu tun hat. Deutschland wird es auf jeden Fall länger geben als den Autor. Frohes neues Jahr

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    • ralfschuler Says:

      Für die Prognose am Schluss muss man den Grundkurs Hellsehen nicht unbedingt abgeschlossen haben. Nur was was das alles mit Kapitalismus zu tun hat, verstehe ich nicht so ganz. Eine von Honorargier getriebene Provokation wäre dann doch eine etwas billige Erklärung…

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    • Paulaner Says:

      „Deutschland wird es auf jeden Fall länger geben als den Autor“

      Das wird der Autor kaum bestreiten. Zu seinem Buch zitiere ich einen Foristen der „Zeit“:

      „Jedes Jahr gehören etwa 300.000 Frauen weniger zur Gruppe der 15- bis 45-Jährigen, die aufgrund ihres Alters Kinder bekommen können.“ (und dieses Grüppchen wird immer, immer kleiner).

      Und jetzt sollte man daran gehen und versuchen, zu verstehen, was das bedeutet. Wir kennen keinen Präzedenzfall irgendeiner Gesellschaft, die beschlossen hat, so schnell (!) zu schrumpfen. Der Trend, dass unsere Frauen (und da sind auch die Migranten drin) immer weniger Kinder in die Welt setzen, ist so etwa 140 Jahre alt, und vor etwa 45 Jahren haben wir irgendwie beschlossen, dass ein Pärchen noch so 1 1/3 Kinder hat, und werden immer älter und weniger. Diese Gesellschaft hat (!) sich im Bezug auf ihre Alterszusammensetzung radikal verändert und wird jetzt nur noch alt. Thilo Sarrazin hat auf seiner Pressekonferenz einen schönen Satz gesagt: „Der demographische Wandel kommt mit der Präzision eines Uhrwerkes und der Wucht eines Eisberges.“

      Das müssen Sie verstehen; das ist der Hintergrund des gesamten Buches und da hat er sich einen Kopf drum gemacht.“

      Experten erkannten das Problem schon vor Jahrzehnten, in das Bewusstsein einer breiteren Schicht ist es erst mit Sarrazin gekommen.
      Demographie sieht man nicht sofort und man kann sie nicht anfassen, laut ist sie auch nicht…

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  3. uniquolol Says:

    „…Die hermetische Unantastbarkeit des gefühlten Weltbildes durch Fakten war am Ende das wirklich Erstaunliche am Casus Sarrazin. Nicht einmal der investigative Eifer zur Widerlegung des Anstößigen durch Fakten, der bei anderen Gelegenheiten ein verlässlicher Medien-Reflex ist, wurde hier geweckt…“

    Das sehe ich auch so! Insgesamt eine hervorragende Zusammenfassung…

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  4. Paulaner Says:

    Sehr geehrter Herr Schuler,

    Sie gehören zu der kleinen Gruppe von Journalisten in Deutschland, die sich mit Sarrazin und seinen Fakten von Beginn an sachlich und kritisch auseinandergesetzt haben. Und waren der Erste, der ihm ein Podium bot, eine sehr beachtete Veranstaltung. Ganz ohne Mut gelang das nicht, nehme ich an, ich fühlte mich in Wendezeiten versetzt. Mit der Genetik aber hadern Sie ein bisschen, fiel mir auf, auch in diesem Beitrag:

    „Dennoch ist Intelligenz mehr als die programmierte Vernetzungspotenz der Neuronen und wird maßgeblich auch vom Milieu geprägt, in dem sich das Aufwachsen vollzieht. Von intellektuellen Anregungen, Förderung und anderem.“

    Ich habe 13 Jahre in einem Jugendheim gearbeitet und genau mit diesem Menschenbild begonnen, das von einer „maßgeblichen Prägung durch das Milieu“ ausgeht. Die damals gelehrten „15% der Persönlichkeitseigenschaften sind biologisch determiniert“ habe ich zwar nicht geglaubt, (ab etwa 1990 waren es dann 30%, heute einigt man sich auf etwa 50%) aber den Umweltbedingungen doch eine große und entscheidende Rolle zugebilligt. Stutzig wurde ich bei unseren Adoptivkindern, mir fielen die großen Unterschiede zu ihren Adoptiveltern auf. Dann habe ich mir in den Unterlagen die Daten der genetischen Eltern herausgesucht und war erstaunt, wie exakt deren Persönlichkeitseigenschaften mit denen ihrer Kinder übereinstimmten. Dabei waren doch die Kinder oft schon sofort nach der Geburt zur Adoption freigegeben worden oder hatten nur kurze Zeit bei ihren biologischen Kindern gelebt. Woher also diese große Übereinstimmung? Ich versuchte, die psychischen Auffälligkeiten und sonstigen Verhaltensweisen mit der mangelnden Fürsorge in Kinderheimen zu erklären, manches Kind kam ja erst nach Jahren in eine Adoptivfamilie. Das ist die These, dass die ersten Lebensjahre eines Kindes entscheidend sind, wie wir oft lesen können. Nur erklärte das nicht die Übereinstimmung der Persönlichkeitseigenschaften zwischen leiblichen Eltern und Kindern, sondern höchstens die Auffälligkeiten der Kinder. (Inzwischen halte ich auch diese These für weitgehend falsch, um irreversible Persönlichkeitsstörungen hervorzurufen, müssen die Kinder schon recht drastischen äussere Bedingungen ausgesetzt sein, das gibt es, betrifft aber nur einen geringen Anteil der Adoptivkinder) Noch etwas fiel mir auf, die Adoptiveltern erschienen durchweg intelligenter als die Adoptivkinder, alle Bemühungen der Eltern änderten nichts daran. Wenn man weiß, was für Menschen in der Regel unfähig oder unwillig sind ihre Kinder aufzuziehen und was für Menschen solche Kinder dann adoptieren, wundert man sich darüber nicht. Aber eine Ausnahme habe ich erlebt, nämlich einen intelligenten Jungen, der bei sehr schlichten, jedoch liebevollen Adoptiveltern aufwuchs. Die Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Der Adoptivvater war ungelernter Ziegeleiarbeiter und die Adoptivmutter Putzfrau. Sie kümmerten sich rührend, aber intellektuelle Anregungen konnten sie ihm nicht geben. Es gab kein Buch in diesem Haushalt, intelligent war der Junge trotzdem und ist in unserem Heim regelrecht aufgeblüht, keiner hat soviel gelesen wie er. Seine Verhaltensauffälligkeiten, seine Aggressivität, ich erklärte sie mir damit, dass Eltern und Kind nicht zusammen passten, waren bald verschwunden und mit dem Abstand hatte er wieder ein rührend liebevolles Verhältnis zu seinen Adoptiveltern.

    Meine Beispiele sind keine Studie und nicht wissenschaftlich, stützen aber die Arbeiten von Wissenschaftlern wie V. Weiss, Rushton, Lehr, Rindermann, Rost, Hernstein, Murray – und die kaum beachtete Studie des MP-Institutes „Wie wir werden, was wir sind“.

    Ich halte heute Menschen nicht mehr für „maßgeblich vom Milieu geprägt“, sondern wir werden weitgehend, „was wir schon sind“. Menschen kann man nicht erziehen, höchstens aufziehen, möglichst ihren Anlagen entsprechend und liebevoll.

    Beste Grüße!

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    • ralfschuler Says:

      Sehr geehrter „Paulaner“,
      ein sehr interessanter, spannender Beitrag. Ich gebe zu, dass ich aus Kenntnis ähnlicher Fälle in der Familie zu ähnlichen Überlegungen gekommen bin, wollte diese aber nicht gleich zu einer Theorie verfestigen. Ich bin einfach nur von der Überlegung ausgegangen, dass Kinder mit ungünstiger Veranlagung durch ein förderliches Umfeld profitieren können, während begabte Kinder durch ungünstiges Milieu weniger mobilisieren, als sie könnten. Allein schon mit dieser defensiven Annahme ist die dringliche Warnung Sarrazins vor sich verfestigenden Randgesellschaften gerechtfertigt. Legt man Ihre Erfahrungen zugrunde, umso mehr. Vielen Dank für Ihren Eintrag, auch wenn er doch ziemlich an unserem prometheischen Selbstbild kratzt. Herzliche Grüße!

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  5. Paulaner Says:

    Sehr geehrter Herr Schuler,

    da haben Sie unbedingt Recht:

    „Ich bin einfach nur von der Überlegung ausgegangen, dass Kinder mit ungünstiger Veranlagung durch ein förderliches Umfeld profitieren können, während begabte Kinder durch ungünstiges Milieu weniger mobilisieren, als sie könnten.“

    Um das Beispiel der Adoptivkinder noch mal zu bemühen, deshalb ist nur Demjenigen von einer Adoption abzuraten, der glaubt, er könne sein Ebenbild erziehen. Aber der sollte überhaupt keine Kinder in die Hände kriegen…
    Wenn die Gesellschaft etwas weiter ist, wird sie gerade Adoptiveltern besonders schätzen weil die eine Arbeit leisten, bei der man nur bescheidene Ansprüche an den Erfolg haben darf. Oft besteht der Erfolg sogar nur darin, dass Schaden gerade mal begrenzt werden kann, das ist schwer. Ich habe einen Adoptivvater hoch gelobt, der seine beiden Adoptivsöhne mit Mühe auf die Hauptschule bekam und es schaffte, dass beide den Anforderungen gerade so genügten. Was wäre aus den Jungs bei ihren asozialen Eltern geworden?!

    Auch wenn wenn wir den naiven Erziehungsoptimismus der Vergangenheit nicht mehr teilen, ist es falsch daraus den Schluss zu ziehen, das Kümmern lohne nicht. Das meinten Sie und das teile ich.

    „auch wenn er doch ziemlich an unserem prometheischen Selbstbild kratzt.“

    Erheblich, noch eine Demütigung! Und die nächste ist schon in der Diskussion, nämlich die Illusion des freien Willens. Der kühne Gedanke, dass es den nicht geben könnte, kam mir auch bei meiner Arbeit mit meinen Jugendlichen. Der kam mir so irre vor, dass ich lieber den Mund hielt. Aber das ist ein anderes Thema für den nächsten, eher übernächsten Skandal…

    Beste Grüße!

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    • ralfschuler Says:

      Die Sache mit dem freien Willen ängstigt mich allerdings wenig. Mag sein, dass ich ihn nicht habe, aber was folgt daraus? Straffreiheit für alle? Es ist keine angenehme Vorstellung, aber ich würde einfach so weitermachen wie bisher. Jetzt zum Beispiel muss ich meine Steuererklärung machen, das ist auch nicht mein freier Wille…

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  6. Paulaner Says:

    „Bei seinen Vorschlägen ist Sarrazin viel radikaler und dann doch durchaus auch „linker“ als viele seiner Parteifreunde. Wenn man ihm etwas zum Vorwurf machen will, gibt die Liste der verpflichtenden Maßnahmen für Bildungsferne (Ganztagsschule, Hort, konditionierte Kindergeldkürzung etc.) für Freunde elterlicher Erziehungshoheit viel mehr her als der Rest des Buches.“

    Das hat mich auch erstaunt, die Linke kritisiert einen Staatslinken in Grund und Boden! Sarrazin ist wie seine Kritiker ein Liebhaber des umverteilenden Nanny-Staates, er geht sogar noch über die jetzigen dirigistischen Maßnahmen hinaus. Es hat Sarrazin nicht geholfen, dass er noch mehr als die 120 bis 200 Milliarden Euro für die gescheiterte Familienpolitik (keiner kennt die genauen Zahlen) ausgeben will.

    Aber er hat ein Tabu gebrochen, das wird ihm die Naiv-Linke nie verzeihen, nämlich das Tabu der Gleichheit der Menschen. Nicht gleichwertig sollen sie sein, nein, absolut gleich. Jedenfalls bei der Geburt als „unbeschriebenes Blatt“, bevor es von der Umwelt und der „strukturellen Gewalt“ so oder so beschrieben wird. Das Konzept eines beschriebenen Blattes, in das sich gerade mal noch zwischen den Zeilen ein paar „Notizen“ eintragen lassen, gilt der antiaufklärerischen Linken als reaktionär, wenn nicht faschistisch. Da denke ich an „Wilhelm Liebknechts Fremdwörterbuch“ von 1953, in dem unter „Genetik“ zu lesen ist: „Eine Frucht des Kapitalismus und Faschismus nach der Gene Träger des Erbmaterials sind“.

    Da sind viele heute nicht viel weiter, Gene für die Nasenlänge und Schuhgröße werden gerade noch akzeptiert, aber alles was man nicht sieht, ist Umwelt und Erziehung. Deshalb benehmen sich viele Linke wie erkenntnisverweigernde Kinder und rufen selbst beim Fasching noch Faschismus, ein kluger Linker (ja, es gibt noch welche!) hat das treffend kommentiert:

    http://www.welt.de/debatte/article11920780/Die-gruene-Wut-auf-den-Ranzengardisten-Thilo-Sarrazin.html

    Es wird alles nicht helfen, man kann gegen alles protestieren und demonstrieren, nur gegen Adam Riese nicht. Man kann die Aufklärung behindern, Bücher verbieten, aufhalten lässt sich die Vernunft und die Neugier nie für ewig.

    Beste Grüße!

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  7. InitiativGruppe Says:

    Das dramatische Untergangsszenario im Titel wird eben nicht einfach fremdenfeindlich an den Migranten hergeleitet, sondern aus einer fehlgeleiteten Sozialpolitik insgesamt begründet.

    Nach Sarrazins Argumentation ist es nicht einmal das — sondern die Gebärfaulheit unserer Mittelschichts- und Oberschichtsfrauen. Würde diese Elite ordentlich ihre 2-3 Kinder in die Welt setzen, wie es ihre völkische Pflicht wäre, dann gäbe es das ganze Problem nicht, und wir Deutsche würden nicht schrumpfen und nicht dümmer werden.

    Die Rundumschläge gegen Unterschicht und Migranten wären dann unnötig – Unterschicht und Migranten bekommen etwas weniger Kinder als die Mittel- und Oberschicht, am Ende gäbe es bei uns demografisch gesehen ein happy end.

    Interessant auch die „pragmatischen“ Vorschläge Sarrazins, wie man die Elitefrauen dazu kriegen könnte, mehr Kinder in die Welt zu setzen.

    Schade, dass man die Kernthese Sarrazins nicht öffentlich diskutiert hat. Die Sarrazin-Fans hätten gestaunt …

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    • ralfschuler Says:

      Hier liegt eben gerade das Problem der Debatte: Diesen ganzen völkischen Quark, den Sie Sarrazin da unterstellen, den schreibt er weder im Buch, noch hat er irgendwo in diese Richtung argumentiert. Er hat ganz nüchtern auf den demographischen Effekt hingewiesen, was schließlich erlaubt ist. Man kann ja der Meinung sein, dass eine bunte multikulturelle Gesellschaft ein wünschenswertes Ziel der Zukunft ist. Man kann aber auch anderer Ansicht sein, ohne sich als Nazi verleumden lassen zu müssen. Das sich Mittel- und Oberschichtsmenschen immer weniger für Kinder entscheiden, ist seit langem bekannt, und es ist eine so eminent private Entscheidung, dass die schönste gesellschaftliche Debatte daran nichts ändern wird. Ich wüsste auch nicht, dass irgendwer diese Feststellung als Zumutung oder Beleidigung empfände. Den aggressiv-kämpferischen Impetus, den Sie Sarrazin unterstellen, hat er gar nicht. Und genau das ist der Unterschied zu einem missionarisch getriebenen Hetzer, für den Sie ihn offenbar halten.

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    • Paulaner Says:

      „Würde diese Elite ordentlich ihre 2-3 Kinder in die Welt setzen, wie es ihre völkische Pflicht wäre, dann gäbe es das ganze Problem nicht, und wir Deutsche würden nicht schrumpfen und nicht dümmer werden.“

      Da Sie von „völkischer Pflicht“ schreiben, sind Sie vermutlich vom sehr rechten Rand. Aber ich rede auch mit Leuten vom extrem linken Rand, soviel Toleranz muss sein.
      Immerhin akzeptieren Sie Sarrazins Thesen, dass Deutschland schrumpft und dümmer wird. Gibt es von Rechts Ideen, wie man die Elite dazu kriegt, „ordentlich 2-3 Kinder in die Welt zu setzen“? Was der Sozialdemokrat Sarrazin vorschlägt, wissen wir nun alle, aber was meinen Sie?

      Beste Grüße!

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      • AB Says:

        Na klar: Kitagebühren werden abgeschafft – was nur wieder wohlhabenderen Leuten zugute kommt. Zu welcher Art „Elite“ wer eigentlich gehört und sich darüber identifiziert, der/die hat bestimmt seine/ihre Gründe dafür. Und dafür bedarf es den Respekt, den jeder Mensch von jedem anderen Menschen erwarten darf. Gelegentlich wird Respekt für „Elite“ o.ä. aus Mitleid gespeist, das geht und manchmal geht es wirklich nicht anders. Kein Problem.

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