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Kleines Brevier zu Moria und der Rechtslage

September 11, 2020

EU-Türkei-Deal:

Der Deal hat – zumindest für die Migranten in Griechenland – nicht funktioniert. In den letzten vier Jahren wurde nur etwa 2000 Migranten von Griechenland in die Türkei zurückgeschickt. Der Grund: Der Deal gilt nur für Migranten auf den Inseln, nicht auf dem griechischen Festland. Voraussetzung für die Rückführung ist ein abgeschlossenes Asylverfahren. Das hat sich ewig verzögert. Erst hat Griechenland die (verfeindete) Türkei ewig nicht als sicherer Drittstaat anerkannt, was die Voraussetzung für Rücküberstellung ist. Dann verzögern sich die Asylverfahren endlos, weil zu wenig Asylrichter da sind und NGOs abgelehnte Asylbewerber durchweg zum Einspruch raten und beim Klageweg begleiten, der sich zum Teil über Jahre hinzieht.

Die Mehrheit der Migranten auf den griechischen Inseln hat nach Auskunft aus BMI-Kreisen von Anfang an keine Chance auf Asyl in der EU, weil sie etwa aus Afghanistan oder Afrika kommen. Abgelehnte Asylbewerber nimmt die Türkei aber nicht auf. Sie müssen in ihre Herkunftsländer zurückgeschoben werden. Deshalb klagen sie bis zur letzten Instanz.

Der EU-Plan von 2018

… war eine Totgeburt, sagt ein Innenpolitiker der Unionsfraktion, um den Streit mit der CSU und Innenminister Seehofer (71) zu befrieden. Die dort geplanten „Ausschiffungsplattformen“ hat es nie gegeben, weil sich kein EU-Nachbarland bereit erklärte, sie einzurichten. Die angekündigten Rückführungsabkommen innerhalb Europas wurden etwa mit Spanien geschlossen, gelten aber nur für Migranten, die von Spanien aus über die bayerische Grenze zu Österreich einreisen. Die meisten anderen EU-Länder unterzeichneten die Abkommen nicht. 

Aufnahme von Insel-Migranten aus Griechenland in Deutschland

Formell kann Deutschland die Migranten nicht aufnehmen, weil laut Dublin-Verordnung das erste EU-Einreiseland für das Asylverfahren zuständig ist. Selbst wenn Seehofer Flüchtlinge offiziell holt, muss das BamF die Leute nach Griechenland zurückschicken, weil sie dort eingereist sind. Das ist die Rechtslage. Einziger Kniff: Deutschland kann den so genannten „Selbsteintritt“ erklären und wird von Griechenland gebeten, die Asylverfahren zu übernehmen. Da in den meisten Fällen am Ende des Verfahrens KEIN Asyl gewährt wird, ist Deutschland dann für die Abschiebung in die Herkunftsländer zuständig, die in der Regel nicht klappt und in eine Duldung umgewandelt wird.

Eine Vorauswahl vor Ort ist nur begrenzt möglich, weil die NGOs und das UNHCR eigene Kriterien haben, und nicht nach der Wahrscheinlichkeit eines Asylstatus‘ auswählen.

Europäische Lösung

Außerdem befürchten die EU-Länder Mitteleuropas, dass die Außen-Staaten das Asylverfahren nachlässig durchführen, um möglichst viele Migranten weiterleiten, verteilen und damit das Problem auslagern zu können.

… ist das Zauberwort – und in weiter, weiter Ferne. Einig sind sich die 27 EU-Staaten inzwischen, dass Länder, die nicht aufnehmen wollen, sich auf andere Weise beteiligen können: durch Zahlungen oder Truppen für Frontex oder ähnliches. Das Problem: Die Verteilung kann nur funktionieren, wenn in Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen Asylverfahren durchgeführt werden, damit nur jene (sehr wenigen) Migranten weiterverteilt werden, die überhaupt auch Aussicht auf Asyl haben. Alle anderen müssten von diesen Zentren sofort wieder in die Herkunftsländer abgeschoben werden. Bislang gibt es unter den EU-Ländern keine Freiwilligen für solchen Zentren. Und: Die Einrichtungen müssten geschlossen sein, damit keine Weiterreise ohne Asylprüfung erfolgt. Ein solches „Transitzentrum“ musste Ungarn kürzlich aber schließen, weil der EUGMH es für nicht zulässig hielt, dass man das Lager nur in eine Richtung (über die Grenze aus der EU heraus) verlassen konnte.