Archive for März 2010

Einmal DDR, Hartz IV und zurück

März 22, 2010

Um „anstrengungslosen Wohlstand“ geht es in der Hartz IV-Debatte und um die Frage, wie auskömmlich die Unterstützung für Hartz IV-Empfänger sein sollte. Für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ habe ich dazu einmal den Vergleich zum Sozialismus-Versuch der DDR gezogen.

Die Macht des Mainstreams

März 16, 2010

Die Telekom will bis 2015 dreißig Prozent der Spitzenposten mit Frauen besetzen. Nun gibt es gegen ein Drittel Frauen in Top-Positionen nichts zu sagen, auch mehr wären nicht schlimm. Verkehrt ist die bewusste Herbeiführung solcher Quoten. Zwingend wäre ein solcher Schritt, wenn erkennbar wäre, dass durch die männliche Dominanz derzeit ein Schaden für das Unternehmen entsteht, der behoben werden muss. Dann dürfte man freilich nicht bis 2015 warten, sondern müsste gleich handeln. Oder werden derzeit Frauen illegal am Aufstieg gehindert? Auch dann müsste sofort eingeschritten werden. Die Schimäre hinter dem Projekt der Telekom aber ist die Vorstellung, die Geschlechter müssten in möglichst allen Bereichen der Gesellschaft gleich verteilt sein.

Es ist dies eine Vision, die durch ihre scheinbare Plausibilität besticht, wie einige andere Mainstream-Illusionen auch, gegen deren attraktiven Sog man mit nüchterner Logik nicht ankommt. Einfach, weil zu viele Menschen wollen, dass es so sei. Wenn die Gleichverteilung der Geschlechter ein gesellschaftlicher Idealzustand wäre, müsste man ihn von beiden Seiten her einstellen – auch in Männerbrachen wie dem Bau oder im frauendominierten Reinigungs- und Textilgewerbe. Der Zustand völliger Frauendominanz vor einigen Jahren, als an der Spitze der Grünen (Radtke, Röstel), der Linken (Gabi Zimmer) und der Union (Merkel) Frauen standen, hätte Proteste auslösen müssen, die auch durch den Einwand sonstiger Männerdominanz nicht zu entkräften sind. Tatsächlich hat diese Konstellation damals gezeigt, dass unterschiedliche Geschlechterverteilungen möglich, normal und unproblematisch sind.

Die Geschlechter-Parität ist Teil eines Schlichtheitssogs, der allzu oft die Mainstream-Massen erfasst. Andere Beispiele sind das Pfand auf Einwegflaschen. Was haben wir uns weiland die Finger wund geschrieben, dass ein Pfand die Rückgabe befördert, nicht die Vermeidung. Heute haben wir die höchste Einwegquote seit Bestehen der Bundesrepublik: Die PET-Flaschen werden zurückgegeben und sofort geschreddert.

Ein anderes Beispiel ist der verblüffend eingängige Slogan von der Angleichung der Renten in Ost und West. Nach jetzigem Modell werden die Erwerbseinkünfte im Osten künstlich hochgerechnet und dann mit dem (niedrigeren) Rentenfaktor Ost multipliziert. Bei der Angleichung entfiele das Hochrechnen, so dass Ostrentner zwar den gleich Faktor hätten, am Ende aber weniger herausbekämen. Man dringt mit dieser Logik aber gegen die verlockende Gleichheitsbotschaft (vornehmlich der Linkspartei) nicht durch. Eine Änderung zu Ungunsten der Ost-Rentner ist im Osten beliebter als die Realität.

Und auch in der Sozialpolitik gilt meist: Viel hilft viel, und Gutes tut, wer Armen Gutes tut. Obwohl jeder weiß, dass tägliches Einwerfen von Geld in den Hut des Bettlers das Betteln zum Erwerbsmodell von Dauer macht, verführt „Reichtum für alle“ oder „Hartz IV aufstocken“ noch immer auf breiter Linie. Bei der Frauenquote oder dem Frauensprech ist es ähnlich, weil einfach nicht durchdringt, dass das grammatikalische Geschlecht im Deutschen nicht mit dem biologischen zusammenfällt. Der Satz „Frauen sind die besseren Autofahrer“ geht nur so, nicht mit -innen.

Fazit: Marx hatte teilweise recht. „Wenn eine Idee die Massen ergreift, wird sie zur materiellen Gewalt.“ Stimmt soweit. Aber sie wird eben oft auch Unfug.

Ham Sie schon Vermögen?

März 15, 2010

Die SPD hat zur Reform der Hartz-Reform nun den völligen Verzicht auf eine Begrenzung des sogenannten „Schonvermögens“ beschlossen und gefordert. Es ist schon verblüffend, welch seltsame Auswüchse das Sozialstaats-Missverständnis zeitigt. Wer von Hartz IV lebt, soll nicht länger gezwungen werden, einen Teil seiner privaten Rücklagen aufzubrauchen, bevor er Transferleistungen bekommt. Ist die Solidargemeinschaft also dazu da, dass man Angespartes möglichst unbeschadet bis zur Rente hinüberretten kann?

Spare in der Zeit, dann hast du in der Not, hieß ein altes Sprichwort. Für sich selbst vorzusorgen, wird nach dem Geist des SPD-Vorstoßes nun also zu einem unsinnigen, ja ungerechten Unterfangen. Die neue Philosophie lautet: Was man hat, das hat man, und damit man es behält, zahlen die anderen.  Es wird Karstadt-Pleitieuse Madlen Schickedanz ja freuen, dass sie aufhören kann, ihre Villen zu verkaufen, wenn sie vom Regelsatz ihr Essen bezahlt. Nur dass die kleine Schlecker-Verkäuferin von ihrem sauer erschufteten Geld abgeben muss, damit andere die Batzen auf ihrem Konto behalten können, ist schon ein Innovation im sozialen Denken der Sozialdemokraten. Ganz abgesehen davon, dass jeder normale Arbeitnehmer an seine Rücklagen muss, wenn es in der Lohntüte nicht reicht.

Täuscht der Eindruck, oder geht  in diesem Land immer mehr Leuten die Peilung für die ganz einfache Gerechtigkeit verloren?

Zeit für Kinder

März 12, 2010

Der Bundespräsident hat es unter einfrigem Kopfnicken der restlichen Politik gerade erst wieder gesagt: Eine Lehre aus dem Amoklauf von Winnenden muss sein, sich mehr Zeit für Kinder zu nehmen, besser zuhören, gemeinsames unternehmen…

Recht hat er, nur sollte die Politik dann auch im Tagesgeschäft darüber nachdenken, welchen Einfluss Entscheidungen auf  Eltern und Familien haben. Man kann jedenfalls nicht die Doppel-Verdiener-Familie in Gesetzen anpeilen (etwa beim Unterhaltsrecht), und gleichzeitig meinen, dann würde mehr gemeinsam unternommen. Wer flexible Arbeits-, Einkaufs- und Dienstleistungszeiten will, wird nicht im Ernst glauben, dass die Ganztagsschule ein Ersatz für abwesende Eltern und intensive Kontakte ist. Die praktizierte Familienpolitik konzentriert sich darauf, die Defizite in den Familien durch Angebote in Einrichtungen auszugleichen. Wer die Unverzichtbarkeit starker Familien erkennt, darf aber nicht nur aktiv werden, um sie zu ersetzen, sondern muss auch klare Akzente dafür setzen, eben nicht nur dem Gelderwerb nachzugehen.

Ob das tatsächlich Amokläufe verhindert, ist zu bezweifeln. Der Gesellschaft insgesamt täte es aber nicht schlecht.

Alles Gute zum Frauentag

März 9, 2010

Vor allem aber kann man Frauen nur wünschen, endlich damit aufzuhören, überall Dinge „als Frau“ zu tun. Wenn Kathryn Bigelow den Regie-Oscar gewinnt, dann gewinnt sie ihn nicht „als Frau“, sondern als Regisseurin und Mensch. Man geht nicht „als Frau“ über die Straße und wird auch nicht „als Frau“ Vorstandsvorsitzende, sondern weil man gut ist.

Die Konstruktion „als Frau“ unterstellt, dass gewissermaßen eine Abspaltung des betreffenden Menschen, ein besonderer Teil von ihm, irgendetwas erreicht hat. Man kann als Immobilienmakler zu Reichtum kommen, „als Frau“ höchstens durch Prostitution. Vor allem aber käme kein Mann auf die Idee, seine Erfolge nicht „selbst“, sondern durch sein Geschlecht erreicht zu haben.

„Als Frau“ ist ein Topos, der nicht zum Erfolg und schon gar nicht zu Gleichberechtigung führen kann, weil er den permanenten, nicht überwindbaren Unterschied anstelle des Menschseins zum Subjekt macht. Eine Frau, die „als Frau“ erfolgreich ist, ist es gewissermaßen trotzdem. Ist sie nicht erfolgreich, ist sie es deswegen. Aber in keinem Falle ist sie ein Mensch, dem ein Schicksal widerfährt, sondern sie reduziert sich willentlich und wissentlich auf ihren Teilaspekt als  Geschlecht.

Journalismus und die feine englische Art

März 2, 2010

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast fordert von Verleger Hubert Burda eine Entschuldigung für die Recherche-Methoden seines Gesellschaftsblattes „Bunte“. Das Blatt hatte eine Berliner Firma mit der Beschattung etwa von Franz Müntefering oder von Oskar Lafontaine beauftragt. Nun mag das in der Tat nicht die feine englische Art sein, Leuten flächendeckend aufzulauern, scheinheilig ist Künasts Empörung trotzdem.

Freier Journalismus bedeutet, Dinge herausfinden zu wollen, auch wenn die Betroffenen dies nicht wollen. Man mag die Berechtigung der Öffentlichkeit bestreiten, etwas über das Privatleben von Politikern zu erfahren; allerdings kann es durchaus politisch sein, wenn etwa Italiens Ministerpräsident jungen Gesprielinnen Posten verschafft oder ein christsozialer Spitzenpolitiker in Berlin ein fruchtbares Verhältnis unterhält. Die Methode jedenfalls, jemanden rund um die Uhr zu beobachten, wird nicht deshalb anrüchig, weil es kein Redakteur der Bunten war, der dort vor der Tür von Ex-SPD-Chef Müntefering im Wagen saß.

Hat sich Günter Wallraff etwa jemals dafür entschuldigt, dass er mit falscher Identität Information erschlichen hat?! Oder heiligt am Ende das Ergebnis die journalistischen Mittel? Wer was findet, durfte schnüffeln, wer nicht, ist ein Schnüffler? Fakt ist, dass im Journalismus die Schuldvermutung gilt und der Anfang der meisten  Nachforschungen ist. Oder sollte gar die parteipolitische Färbung der Investigationsopfer bei der Beurteilung der Anstößigkeit eine Rolle spielen?