Wenn Wasser nach oben flösse, gäbe es keine feuchten Keller. Ausgerechnet jetzt, mitten in der Euro-Krise, wird wieder heftig am Bundesstaat Europa gewerkelt. „Mein Ziel sind die Vereinigten Staaten von Europa“, sagt beispielsweise Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im jüngsten „Spiegel“. Gemeint ist das Hamburger Magazin, nicht die heimische Ankleide. Dort wäre es kein Problem.
Denn einerseits zeigt eben jene Krise, dass dieser Kontinent keineswegs zusammensteht, wenn es etwas kostet. Und andererseits hat die gleiche Ursula von der Leyen (CDU) in diesen Tagen selbst vorgeschlagen, Euro-Schuldensünder sollten im Gegenzug für Milliardenhilfen Gold oder andere materielle Werte beim Rettungsfonds in Brüssel verpfänden, damit ihr Sparwille nicht erlahme. Besser kann man zwischennationales Ressentiment nicht illustrieren.
Die nüchterne und für manchen wohl ernüchternde Realität ist, dass das vereinte Europa an seinen Grenzen angekommen ist. Geographisch wie ideell. Die CSU formuliert das in ihrem jüngsten Thesenpapier mit erstaunlicher Klarheit: „Aus der Bündelung von immer mehr Politiken ist aber weder ein europäisches Gemeinschaftsbewusstsein noch die erhoffte politische Union entstanden. Die CSU lehnt die Idee von Vereinigten Staaten von Europa, also der Schaffung eines europäischen Bundesstaates, der auch die sog. Kompetenz-Kompetenz besitzt, entschieden ab und hält den Staatenverbund für die absehbar geeignete Organisationsform der europäischen Integration.“
Man sollte sich vielleicht auch hin und wieder im größten EU-Überschwange klarmachen: Nicht alle Nationen in Europa haben sich in ihrer Geschichte so brachial daneben benommen wie die Deutschen. Oder anders gesagt: Einige europäische Nachbarn haben genügend Nationalstolz durch die Jahrhunderte ihrer Historie gerettet, um nicht euphorisch im großen Ganzen aufgehen zu wollen.
Nun will sich auch die CDU auf ihrem Leipziger Parteitag im November mit dem Euro und seiner Rettung beschäftigen. Vielleicht wäre es dazu hilfreich, erst einmal das eigene Verständnis von Europa zu klären. Die selbst ernannte „Europa-Partei“ CDU schwankt zwischen jenem Flügel, der diesen Titel mit „alles und immer für Europa“ übersetzt und jenem, der freimütig zugibt, dass der fusionierte Kontinent weit an den Köpfen und Herzen der Menschen vorbei geht. „Europa-Partei“ sollte deshalb nicht mit unbedingter Integration – gern auch unter dem Zwang der Krise – verwechselt, sondern als „Europa-Kompetenz“ für das“richtige“ funktionierende, angemessene Europa verstanden werden. Und da geht es eben nicht nur um die Förderung eines weltweit konkurrenzfähigen Staatenbundes, sondern auch um dessen Schutz vor übereifrigen Enthusiasten, die seine Grenzen nicht erkennen.
Wer die reale EU zwangsweise oder aus Leichtsinn in eine gut gemeinte Wunsch-Union überführen will, gefährdet den Europa-Gedanken mehr als er ihm dient. Weil das so ist, gibt es zwar eine Außenkommissarin aber keine gemeinsame Außenpolitik, weil keine ehrliche Regierung im Ernst will, dass ihre Belange von EU-Brüssel wahrgenommen oder gar geregelt werden. Genauso wird es mit der sogenannten Wirtschaftsregierung sein. Entweder ein loses Gesprächsgremium oder eine Null-Personalie.
Auch wenn Europa nach wie vor kein erotisches Publikumsthema ist, sollte die Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzende den November-Parteitag nutzen und sagen, welches und wieviel Europa sie will. Ein Europa der starken Staaten oder eines der starken Zentrale. Je mehr Kompetenzen und Hoheitsrechte Berlin an Brüssel abgeben will, desto besser sollte sie das den Menschen im Lande erklären. Denn die haben am innerdeutschen Föderalismus schon genug zu knabbern.