Archive for November 2012

Partner, Partner überall

November 25, 2012

Darf man den Wildecker Herzbuben („Herzilein“) zur eingetragenen Partnerschaft gratulieren? Die Antwort lautet: Nein. Denn sie haben sich nicht eintragen lassen. Aber wenn es nach aktuellen Trends geht, sind sie heiße Anwärter auf einen festen Beziehungsstatus. Der Einwand, Wolfgang Schwalm und Wilfried Gliem seien gar nicht schwul, trägt da wohl nicht mehr lange. Denn längst ist man auch in der Union dabei, den Ehe-Begriff zeitgemäß zu überarbeiten. Demzufolge ist Partnerschaft, wo zwei Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen. Und das kann man wohl mit Fug und Recht von den beiden Pfundskerlen behaupten, die seit mehr als 20 Jahren miteinander arbeiten und eine wirtschaftlich weiß Gott erfolgreiche Gewinngemeinschaft sind.

Gut, verheiratet sind die Buben nebenher auch, womit wir beim ersten kleinen Problem der schönen neuen Partnerschaftswelt wären: Wenn dauerhafte Verantwortungsübernahme schon eine hinreichende Definition für eine eheähnliche Beziehung ist, dann betrügen die zwei ihre Frauen mit ihrem volkstümlichen Wanderzirkus.

Aber im Ernst: In dem irrigen Wahn, irgendwie modern und großstädtisch sein zu wollen, kommt gerade den Konservativen in diesen Tagen ganz offensichtlich der Wertekompass völlig abhanden. Bei dem verspratzten Versuch, sich eine Partnerschaftsdefinition zuzulegen, in die auch die Homo-Ehe irgendwie hineinpasst, kippen die einstigen Wertebewahrer ihre bisherigen Leitbilder mir nichts dir nichts über die Reling. Wenn die Verantwortung füreinander zum letzten Indiz für eine Partnerschaft wird, redet man einer Gesellschaft das Wort, in der alles geht und alles irgendwie gleich ist. Das kann man wollen, wie es in eher konkurrierenden Lagern bisher schon gewollt war. Allerdings versuchten bislang vor allem die Linken die Gesellschaft umzubauen, währen die Konservativen sich Mühe gaben, sie daran zu hindern. Heute geben die vermeintlichen Modernisierer das Wort an.

Denn tatsächlich lebt Gesellschaft von mehr als von bunten Beziehungen. Mal abgesehen  davon, dass sich die Frage auftut, ob die Teilnehmerzahl bei dieser Art von Verantwortungsgemeinschaft auf zwei begrenzt bleiben muss (was wäre mit einer Ordensgemeinschaft?), ob es verwandtschaftlich nicht verbundene Menschen sein müssen oder auch Geschwister in Betracht kommen und auf welcher Annahme die geforderte „Dauerhaftigkeit“ fußt, – eine Gesellschaftspolitik, die Kinder und Familie ins Zentrum ihrer Wertschätzung stellt, ist auf dieser Alles-geht-Basis nicht denkbar.

Freilich hatte die Union auch beim Familienbegriff vor einiger Zeit schon eine eher spielerische Variante gewählt: „Familie ist, wo Kinder sind“. Hier wird bereits das generationenübergreifende, Traditionen von Großeltern zu Enkeln fortschreibende stillschweigend gestrichen. Wer so leichtfertig das natürliche Beziehungsgeflecht einer Gesellschaft zu Gunsten einer künstlich konstruierten Modernität aufgibt, muss sich hinterher allerdings nicht wundern, wenn es kein familienfreundliches Klima gibt, wenn niemand mehr die Auswirkungen politischer oder wirtschaftlicher Entscheidungen auf die Lebenswelt von Familien im Blick hat, wenn Familie immer schwieriger lebbar ist, die Geburtenzahlen sinken und der gesellschaftliche Reparaturbetrieb zum Beheben von Familienversagen nicht mehr nachkommt.

Es gehört zu Kuriositäten unserer Zeit, dass das Bewahren von Umwelt zu den höchsten Gütern der Gesellschaft gehört, während das Bewahren einer lebenswerten, mitmenschlichen Gesellschaft von gedankenlosen Modetrends geprägt wird. Weite Teile der Eliten treten tatsächlich dafür ein, die Erwärmung des Weltklimas präzise auf zwei Grad Celsius begrenzen zu wollen – der Turmbau zu Babel war verglichen mit dieser Selbstüberhebung ein von Selbstzweifeln angekränkelter Demutsakt. Und im gleichen Atemzug gelten Familie und Kinderbetreuung als reaktionär, muffig, Erwerbsarbeit als modern, Genmanipulation, künstliche Zuchtwahl am Menschen und selbstbestimmter Tod liegen im Trend, weichen die vormalige Unantastbarkeit menschlichen Lebens auf.

All dies sind Richtungsentscheidungen, die der Mensch so treffen kann, wenn er will und wenn einen Konsens darüber in der Gesellschaft gibt. Erstaunlich ist freilich, was Leute treibt da mitzutun, die sich ehedem einer politischen Richtung angeschlossen haben, die genau hier mit Vorsicht und Zurückhaltung zu Werke gehen wollte. Wo ist der Kampfesmut der Konservativen geblieben, tieferes Verständnis von gesellschaftlichem Zusammenhalt mehrheitsfähig zu machen?! Oder ist womöglich die aktuelle Debatte um schwarz-grüne Bündnisse nur die Vorstufe zur Frage, ob auch Schwarz-Orange mit den Piraten möglich wäre? Braucht es künftig noch wen, der über den Rand des eigenen Laptops hinausschaut? Den Rest kann man ja googlen…

Betreuung, Geld und Kinder

November 12, 2012

Familie ist, hat Tissy Bruns im Berliner „Tagesspiegel“ einmal geschrieben: „Mama, Papa, ein Teller Spaghetti und ich in der Mitte.“ Eine Definition, so verblüffend einfach und treffend, dass man nicht umhin kommt, das Copyright zu erwähnen. Eine Definition, die das Ideal beschreibt – danach beginnen die Abstriche.

Beim Streit um das Betreuungsgeld haben Erwachsene nicht für die Welt ihrer Kinder gekämpft, sondern für ihre eigene. Die einen wollten ein ermutigendes dafür Zeichen setzen, dem Ideal nachzustreben. Die anderen, junge vor allem, verteidigen ihren Lebensentwurf, der auf dem Reißbrett ihres Lebens vor ihnen liegt. Wieder andere sahen sich mit ihrer anderen, „modernen“ Biographie zurückgesetzt durch die Prämie fürs Gegenmodell. Tolerant geht es schon lange nicht mehr zu, wo Gesellschaftspolitiker den Fortschritt gepachtet zu haben glauben.

Der dänische Familientherapeut Jesper Juul stellt im jüngsten „Spiegel“ die richtigen Fragen: „Wer also entscheidet, was das Beste fürs Kind ist.“ Vor allem aber gibt er die richtigen Antworten: „Die Eltern natürlich.“ Und: „Lässt sich voneinander unterscheiden, was einerseits für die Eltern und andererseits für ihre Kinder das beste ist? Ich glaube nicht.“

Es gibt keinen Königsweg, weil man für den Teller Spaghetti arbeiten muss – und schon fehlt mindestens eine Figur im perfekten Familienbild. Über Bord werfen muss man das hohe Ideal aber noch lange nicht, nur weil man es selbst nicht erreichen kann. Jesper Juul: „Vor allem Mütter verteidigen die Wahl ihrer Entscheidung, indem sie die Wahl andersdenkender Mütter abwerten.“ Der Streit ums Betreuungsgeld hat das hinreichend gezeigt.

Jetzt ist das Betreuungsgeld beschlossene Sache, und es ist Zeit, den Kulturkampf zu beenden!
Das gilt vor allem für jene, die nicht müde wurden, der Öffentlichkeit zu erklären: Wer es nicht in die Kita bringe, versündige sich an seinem Kind und dessen Zukunft. Nicht wenige (so sie denn Kinder haben)  dürften diese Litanei wider besseres Wissen gesungen haben. Oder sie haben verdrängt, mit wieviel Tränen und Zerrissenheit auf beiden Seiten die Einführung von Kleinstkindern in Krippe und Kita verbunden ist. Einige rennen fröhlich ins fremde Gewimmel, andere brauchen Monate, um mit der neuen Situation klar zu kommen. Weder Kita noch Krippe sind Allheilmittel.

Das Bindung und familiärer Zusammenhalt ein nicht minder wichtiges und durchaus modernes Zukunftsmodell sind, dazu braucht man keine Langzeitstudien. Um das zu wissen, reicht gesunder Menschenverstand. Beim Reparieren der gesellschaftlichen Ausfälle von Familien kommen wir schon jetzt kaum hinterher. Intakte Familien sind nicht ersetzbar. Mit diesem Signal des Betreuungsgeldes sollten eigentlich alle gut leben können.