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Thema verfehlt: Pamphlete wider die Islamkritik

Februar 18, 2011

Was haben Sahra Wagenknecht und Mohamed Atta gemeinsam? Nichts, außer dass sie beide Weltbildern anhängen (anhingen), die Terror und Tod über die Menschen gebracht haben. Dabei spielt es so gut wie keine Rolle, dass Attas Wahn politisch instrumentalisierter Religion und Wagenknechts Kommunismus einer ins Religiöse gesteigerten vermeintlich wissenschaftlichen Weltanschauung entspringt. Und genauso, wie es Milliarden friedlicher, braver, frommer Muslime auf dieser Welt gibt, gibt es vermutlich einige Millionen Kommunisten, die ihre Überzeugungen völlig ungefährlich ausleben. Berechtigt all das zu der Feststellung, dass Islamismus und Kommunismus harmlose Doktrinen seien?

Patrick Bahners, Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bringt an diesem Wochenende sein Buch „Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam“ (Verlag C.H. Beck) in die Buchläden, und sein Kollege Thomas Steinfeld vom Feuilleton der Süddeutschen Zeitung hat ihm dazu schonmal vorab gratuliert. Im Visier: Die „Islamkritiker“ wie Necla Kelek, Henryk M. Broder oder die Holländerin Ayaan Hirsi Ali, die als “ vebale Eingreiftruppe“ im Dienste eines vermeintlichen antiislamischen McCarthyismus gesehen werden. Vor allem der Furor, mit dem hier gegen „die Islamkritik“ und den dahinter vermuteten Rassismus zu Felde gezogen wird, verstört einigermaßen.

Bahners versucht dabei zunächst in seinem Essay jeglichen Verweis auf mögliche textliche Quellen von Hass, Aggression, Autoritarismus und Alleinvertretungsanspruch des Islam in Koran und Hadithen mit theologischer Einordnung zu widerlegen. Das ist scharfsinnig, wenn auch nicht immer lesefreundlich aufgeschrieben, geht aber am Kern der Debatte vorbei. Theologische Texte sind kryptisch und widersprüchlich und entfalten ihre konstruktive oder destruktive Wirkung vor allem durch die Katalyse der Zeit, in der sie stehen und gelesen werden. Christi Liebesbotschaft und der „Neue Bund“ in den Evangelien haben das Christentum nicht vor Kreuzzügen und Inquisition bewahrt, und all die Manifeste zur Befreiung der werktätigen Massen haben praktizierende Sozialisten/Kommunisten nicht davon abgehalten, gerade auch jene Massen zu meucheln und auszuhungern.

Nachdem im Namen des Islam in relevanter Qualität und Quantität gemordet und Terror gesät wurde, ist offensichtlich, dass diese tödliche und Drangsalieruns-Potenz auch diesem Denkgebäude innewohnen kann, wenn es im richtigen Zeitgeist-Kontext angespielt wird. Es ist also „nicht sehr hilfreich“ – um einen Terminus der Kanzlerin zu verwenden – wenn Bahners und Steinfeld nun viel Energie an den Nachweisversuch verwenden, dass der Islam auf gar keinen Fall Hintergrund und Ursache des islamistischen Terrors sein könne. Er kann, wie man gesehen hat, und die spannende, wichtige Frage ist, unter welchen Bedingungen er es tut. Anstatt den Islam als rein und unschuldig gegen Leute zu verteidigen, die den Autoren ganz offensichtlich in vielerlei Hinsicht nicht passen, wäre es produktiver darüber nachzudenken, ob und wie man Exzesse, diesmal im Namen des Islam, verhindern kann.

Die politische Stellung der islamischen Welt gegen den Westen ist hier ebenso mit Sorge zu betrachten, wie die Tatsache, dass sich reformatorische Strömungen mit namhaften Vordenkern im Islam derzeit nicht ausmachen lassen. Hinzu kommt, dass die Einordnung von Religion in eine säkulare Welt zwangläufig einen Verlust an Verbindlichkeit mit sich bringt, den viele Muslime in der westlichen Welt mit einer gewissen Verachtung beobachten und mithin aus der Hermetik ihres eigenen Glaubens eine gefühlte Überlegenheit ziehen, die ihnen im weltlichen Alltag bitter fehlt.

Kurz: Kommunismus, Christentum, Islam und etliche andere –ismen haben längst ihre Unschuld verloren, und es ist genauso demagogisch, in Talkshows zu behaupten, der bisherige Kommunismus sei gar nicht der richtige gewesen, wie es fahrlässig ist, den Islam leichthin aus der aktuellen Problemzone wegzuloben. Islamkritik, Kritik am Islam und Auseinandersetzung mit ihm ist heute wichtiger denn je. Auch, um den braven Gemüsehändler von den Attas und den gutwilligen Gewerkschafter vor den Wagenknechts zu bewahren.