Posts Tagged ‘Terror’

Eine Meldung

November 18, 2016

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit sind in dieser Woche die letzten Opfer des Attentats von Würzburg wieder nach Hause nach Hongkong gereist. Eine kleine Gruppe Chinesen, unscheinbar, auf dem Flughafen München. Die Uni-Klinik gab eine kurze Pressemitteilung darüber heraus:

„Erfreulicherweise konnten kürzlich die letzten Opfer die Kliniken und Reha-Kliniken verlassen und die Heimreise antreten. Für einzelne müssen sich noch weitere Rehabilitationsmaßnahmen anschließen, die schlimmen Verwundungen haben ihre Spuren hinterlassen. Die seelischen Verletzungen werden nachwirken, ihre Folgen sind nicht in vollem Umfang absehbar, aber sicher schwerwiegend. Den Opfern gilt unser vollstes Mitgefühl.“

Leider hat außer der Bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) am 7. August kein deutscher Politiker in den vier Monaten seit dem Attentat am 18. Juli 2016 die Zeit gefunden, die Familie zu besuchen und das Mitgefühl jenes Landes auszudrücken, in dem die Familie heimtückisch von einem Attentäter während einer Bahnfahrt überfallen wurde. Es gab keine Selfies und kein Bedauern, dass man sie nicht habe schützen können.

Vier Monate haben die völlig unschuldigen Urlauber im Krankenhaus verbracht. „Es liegt noch ein langer Weg vor mir“, sagte der Verlobte der Tochter der Familie, der zu den Opfern gehörte, der „Main-Post“. „Ein weiter Weg zurück zu meinem normalen Leben.“ Der 31-Jährige hatte mehr als einen Monat im Koma gelegen. Seine Verlobte, die Tochter der betroffenen Familie, bedankte sich bei allen, von denen die Familie Unterstützung bekommen habe.

Ein 17 Jahre alter Flüchtling hatte die Opfer Mitte Juli mit einer Axt und einem Messer attackiert und sich zur Terrormiliz IS bekannt. Polizisten erschossen ihn, als er sie auf der Flucht angriff.

Ich schäme mich.

 

 

Der bin-Laden-Coup im Spiegel der deutschen Stil-Kritik

Mai 6, 2011

Wer bisher glaubte, der Gipfel von Dekadenz werde in Wein-Kolumnen („samtiger Abgang mit einem Hauch Holunder und seeseitig blühendem Majoran“) oder den Fukushima-Episteln des ZEIT-Feuilletons („orgasmische Entladung“) erreicht, wurde in der zurückliegenden Woche eines noch Schrägeren belehrt: Die Stil-Kritik des internationalen Anti-Terror-Einsatzes gegen Osama bin Laden.

Es beginnt mit einem absoluten „No Go“ der Militär-Etikette: Das Erschießen eines weltweit gesuchten Groß-Terroristen ohne Warnanruf, Verlesung der Rechte und Überprüfung auf Bewaffnung. Die Akribie, mit der die Details des Hergangs hierzulande analysiert wurden, lassen zudem den Schluss zu, dass der Ehrenkodex des großen Western-Helden Wyatt Earp direkten Eingang in die UN-Charta der Menschenrechte gefunden hat: Mannhaft im Feuergefechte hätte man bin Laden gerade noch füsilieren dürfen. Für den Fall, dass er womöglich unbewaffnet war, erfolgt die publizistische Überstellung der diensthabenden Navy Seals an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Schließlich hätte man fairerweise auch warten können, bis Leibwächter oder andere Verstärkung auf Seiten des Terror-Drahtziehers, der Aktion wieder zu sportlicher Fairness verholfen hätten.

Dass die kulturlosen Amerikaner den Tod des wohl bekanntesten Hass-Video-Darstellers feiern und sich die deutsche Bundeskanzlerin gar noch darüber freut, ist ebenfalls ein klarer Fall zum Nachsitzen im Al-Qaida-Benimm-Kurs. Stillosigkeit Nummer drei: die Seebestattung. Mit muslimischem Beerdigungsritus nur schwer in Einklang zu bringen, schrieben verschiedene Feuilletonisten, die sich zu diesem Zwecke eigens in die Kulturtraditionen islamischer Glaubensrichtungen einlasen.

Man muss sich also kaum noch wundern, dass die Amerikaner auch bei der Wahl des Code-Namens der Operation einen unverzeihlichen Stil-Fauxpas begingen: „Geronimo“! Ausgerechnet „Gironimo“! Die Fachzeitschrift „Terror In Style International“ würde diesen geschmacklosen Rückgriff auf den Legendären Apachen-Führer in ihrer wöchentlichen Kolumne „Hass Du mich gesehen!“ vermutlich mit drei schwarzen Kalaschnikows abwärts bewerten. Fassungsloses Kopfschütteln auch bei den versammelten Army-Anstandskritikern von „Vier gewinnt“ auf n-tv.

Das Fazit: Der weltweit meistgesuchte Terrorist ist gefasst, ABER das allein kann es ja doch wohl nicht sein! Völkerrechtlich unzulässig, mit Pakistan nicht abgesprochen, und in der Umsetzung so peinlich wie ein Chateau Lafite-Rothschild zum Dessert oder hellblaue Socken zur braunen Hose. Eine formvollendete Entschuldigung beim Generalsekretariat von Al Qaida und angemessene Ausgleichszahlung an den Witwen-Fonds erfolgreicher Selbstmord-Attentäter ist das Mindeste, was Washington nach dieser peinlichen Pleite schuldig ist…

Peek-a-bomb

November 19, 2010

Das ist mal eine richtig lustige Idee von unseren amerikanischen Freunden: Eine Testbombe irgendwo auf der Welt verstecken, und wir müssen sie finden. Ätsch! Haben wir gefunden – in Windhuk war sie. Nänenänenänääh! „Realtestkoffer“ hat der Bundesinnenminister das Alarmstück genannt, dass weltweit für Aufregung sorgte. Und dass es womöglich von einem „befreundeten oder weniger befreundeten Dienst“ stammen könnte. Gut, dass wir solche Freunde haben.

Man muss sich das vermutlich wie eine Weltstiftung Bombentest vorstellen, die mit kleinen Semtex-Krumen Spuren ausstreut und dann irgendwo ein richtiges Pfefferkuchenhäuschen zum Ticken bringt. Nun, da wir den Bin-Laden-Knallbonbon gefunden haben, sind aber die Amis dran. Schön bis 200 zählen und ohne Katzenversteck und Schmulen. Unser Innenminister lötet noch rasch zwei Kabel an seinen alten Wecker und tut ihn in eine unscheinbare Tupperdose per Schiffsfracht nach Boston, Containerhafen. Das finden die nie, die alten Trapper-Blindfüchse, und nach zwei Wochen gibt es eine schöne Tea Party. Krawumm.

Überhaupt sind wir bisher viel zu verkrampft an den Terror herangegangen. In der DDR hatten wir regelmäßig diese „Manöver Schneeflocke“ – heute haben wir Globalisierung und Spiel ohne Grenzen. Gut, dieser Osama liegt mit zwei Türmen und ein paar Botschaften vorn, aber das holen wir auf. Im Kalten Krieg hatten wir das spannende Telefon-Quiz mit dem roten Fernsprecher, 2010 ist der „Realtestkoffer“ Spiel des Jahres. Und Omas alte Handtasche lassen wir am Bahnhof Zoo vom SEK sprengen.

Wenn die Welt ohnehin voll ist von Bescheuerten und Bekloppten, von Fanatikern, Hasspredigern und irren Friedensstiftern, warum sollen wir da nicht wenigstens unseren Spaß haben. Und als nächstes versteckt Gibbs von Navy CIS brennbaren Bourbon im Handschuhfach eines Trucks nach Tucson (Arizona) und lässt sich dabei von Otto Dix malen. „Prachtvolle Apokalypse I-VI“, Acryl auf Hartfaser – Mindestgebot 300 000… Sehe ich mehr?

Aufwachen im eigenen Roman

Oktober 5, 2010

Rentner fahren heute Rennrad. An normalen Tagen kommt dieser rasende Papageientaucher kurz vor halb acht am Morgen  von links den Wischbergeweg hinunter. Da habe ich zumindest juristisch eine Chance aus dem Crash als Sieger hervorzugehen. Heute kam er von rechts. Die Tochter schlug mit dem Kopf aufs Armaturenbrett, dem Sohn schlug die Sporttasche ins Genick, aber sonst war alles wie immer. Im Radio sagte die Stimme, dass in letzter Zeit immer mehr junge Muslime nach ihrer Terror-Ausbildung radikalisiert nach Deutschland zurückkämen. Man ist ja schon froh wenn die jungen Leute überhaupt eine Lehrstelle finden…

An manchen Tagen wacht man in einem Roman auf, der Alltag ist. An einem überzeugenden Schluss arbeite ich noch.